Begegnungen mit jüdischem Leben - ein historischer Stadtrundgang zu jüdischen Lebenswelten in Kiel

Stadtführung Westring 444, 24118 Kiel, DE

Jüdisches Leben begegnet uns jeden Tag, nur häufig bemerken wir es nicht. Um dies zu ändern und zu erinnern, hat die BG-11i des RBZ Wirtschaft . Kiel sich eine Woche intensiv mit der Thematik beschäftigt und einen digitalen Walk erstellt. In den folgenden 13 Stationen bekommen Sie einen Einblick in die Geschichte jüdischen Lebens in Kiel.

Autor: RBZ Wirtschaft . Kiel BG-11i

13 Stationen

Informationsstation am RBZ Wirtschaft . Kiel

Westring 444, 24118 Kiel, DE

Hallo und herzlich Willkommen zu unserem digitalen Stadtrundgang!

Wir möchten dir mit diesem Stadtrundgang einen Einblick in die jüdische Geschichte und das jüdische Leben in Kiel geben.
Du siehst verschiedene Stationen, welche sich mit unterschiedlichen Themengebieten befassen. Dabei erfährst du etwas über die Geschichte, aber auch, was diese mit der heutigen Zeit zu tun hat. Du kannst dir eine Route vorschlagen lassen oder dich selbst auf Erkundungstour begeben. Zu jeder Station findest du einen Informationstext, passende Bilder und Videos sowie einen Audioguide. Diesen kannst du dir einfach anhören, um alles über die Station zu erfahren.
Also mach deine Kopfhörer rein und genieße den Stadtrundgang!

Was ist das Judentum?
Das Judentum fand seinen Ursprung vor ca. 3000 Jahren und gilt als die älteste der drei monotheistischen Weltreligionen (also den Religionen, die an nur einen Gott glauben, wie das Christentum und der Islam). Das jüdische Gotteshaus wird Synagoge genannt, in ihr befindet sich die Thora, welches die heilige Schrift der Juden ist. Wie in allen anderen Religionen auch, gibt es sowohl liberale als auch orthodoxe Juden, sodass die Auslegung und Ausprägung der jüdischen Gesetze variiert.
Das Judentum ist zum einen eine Religion, zum anderen umfasst es aber auch das jüdische Volk. Dieses wurde seit Beginn seiner Existenz immer wieder verfolgt und vertrieben. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde 1948 der Staat Israel als jüdischer Staat gegründet, in dem heutzutage die Hälfte aller 14 Millionen Juden weltweit leben. In Deutschland leben schätzungsweise ca. 225.000 Jüdinnen und Juden.

Die Geschichte des jüdischen Lebens in Schleswig - Holstein (Kiel)
In Schleswig-Holstein wohnten 1933 ca. 1.900 jüdische Menschen. Sie bildeten nur 0,13 % der schleswig-holsteinischen Gesamtbevölkerung ab. Unter der zunehmenden Verfolgung während der NS-Zeit verminderte sich der Anteil weiterhin massiv. 1939 gab es erste Deportationen und der „Sterbeüberschuss“ der überalterten Juden führte zur weiteren Abnahme des jüdischen Lebens. Im November 1942 lebten demnach nur noch 59 Juden in Schleswig-Holstein.
Durch die Fluchtbewegung nach dem Krieg befanden sich nach einer Volkszählung vom 29. Oktober 1946 insgesamt 949 (0,065 %) Personen jüdischen Glaubens in Schleswig-Holstein. Das jüdische Leben hat nach dem Krieg kaum noch existiert und auch die Synagogen waren während des Krieges zerstört worden. Erst 1997 entstand wieder die erste Gemeinde samt Synagoge in Kiel, im Stadtteil Gaarden.
Die "Jüdische Gemeinde Kiel und Region" engagiert sich, das jüdische Leben in Kiel wieder aufzubauen, um Menschen ihren Glauben näherzubringen. Im Jahr 2004 konstituierte sich eine zweite Gemeinde in der Waitzstraße, die "Jüdische Gemeinde Kiel", sodass heutzutage zwei Gemeinden in Kiel ansässig sind.

Wir wünschen dir viel Spaß bei deiner Tour!

Quellen:
Jüdische Gemeinde Kiel und Region
https://de.wikipedia.org/wiki/Judenverfolgung_in_Schleswig-Holstein_(1933– 1945)#cite_note-10
http://www.judentum-projekt.de/religion/judentumwasistdas/index.html https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/juedischesleben/342582/was-ist-judentum/

Die Synagoge an der Waitzstraße

Waitzstraße 43, 24105 Kiel, DE

Das im Jahre 1891 errichtete Gebäude mit hohen Bögen- und Rundfenstern in der Waitzstraße 43, welches ehemals als Freikirche fungierte, ist seit 2019 eine von der Jüdischen Gemeinde Kiel e. V genutzte Synagoge. Die Synagoge ist das Gotteshaus der Juden, welches von der Gemeinde als ein Haus des Gebetes, der Aufklärung und des harmonischen Miteinanders zwischen Menschen verschiedenster Herkunft und Religion definiert wird. So fungiert die Synagoge gleichzeitig als Gemeindezentrum, wo man sich zu Festen, Lesungen oder auch Konzerten trifft. Herzstück der Gemeinde ist der Betsaal, wo man sich regelmäßig zum Gebet einfindet.
Die Jüdische Gemeinde in der Waitzstraße wurde am 18. April 2004 in Kiel gegründet und besteht heute aus ungefähr 250 Mitgliedern. Sie ist eine von insgesamt zwei Gemeinden, eine zweite Gemeinde befindet sich in der Wikingerstraße in Gaarden.

Literaturverzeichnis:

Zwei Synagogen an der Förde, Heike Linde-Lembke: https://www.juedische-allgemeine.de/gemeinden/zwei-synagogen-an-der-foerde/, 28.11.2021
Synagoge Waitzstraße: https://de.wikipedia.org/wiki/Synagoge_Waitzstraße , 29.11.2021
Toraschrein: https://de.wikipedia.org/wiki/Toraschrein , 29.11.2021
Bima: https://de.wikipedia.org/wiki/Bima , 29.11.2021
Jüdische Gemeinde Kiel e. V . : http://lvjgsh.de/data/documents/JGK-Flyer_07-2016_web.pdf , 26.11.2021
Eine Synagoge für Kiel: http://lvjgsh.de/data/documents/Synagoge-fuer-Kiel_11-16_web.pdf , 26.11.2021
Zoom-Meeting mit Rabbiner Isak Aasvestad am 29.11.2021

Universität in der NS-Zeit und danach

Christian-Albrechts-Platz 4, 24118 Kiel, DE

Mit der Machtergreifung im Jahr 1933 änderte sich das Leben aller jüdischen Studenten und Professoren an den deutschen Universitäten.

An der CAU (Christian-Albrechts-Universität) war schon seit 1927 der NS-Studentenbund eine starke Kraft, welche die Nazifizierung vorantreiben konnte. Ab 1933 wurde offen gegen oppositionelle und/oder jüdische Studenten und Gelehrte vorgegangen, indem man Lehrpläne umstellte und Studenten als „arisch“ oder „nicht-arisch“ bestimmt hat, wobei bei letzterem diese meist vom Unterricht ausgeschlossen wurden.
Die Durchführungsverordnung zum Gesetz gegen die Überfüllung sorgte dafür, dass der Anteil der übrigen Studenten jüdischer Herkunft nur 1,5 Prozent betragen sollte, wobei die CAU aufgrund eines Ermessungsspielraums sogar nur 0,5 Prozent festlegte. Im Sommersemester 1933 gab es 52 und im Wintersemester 1933/34 16 jüdische Studenten an der CAU.
Viele andere jüdische Studenten dahingegen verzichteten auf ihren Universitätsbesuch, jedoch war es für diejenigen Studenten, die in Kiel blieben, sehr hart. Zwar wurde offiziell bestätigt, dass jüdische Studenten weder Benachteiligungen noch Vergünstigungen erfahren sollten, was nicht der Realität entsprach.
Die oppositionellen und/oder jüdischen Professoren wurden vertrieben, ihre Lehrbefugnisse entzogen und akademischen Grade aberkannt. Die CAU erinnert auf ihrer Seite (https://www.uni-kiel.de/de/universitaet/profil/geschichte-der-universitaet/ns-aufarbeitung/vertriebene-gelehrte) an die vertriebenen Gelehrten von 1933-1945, wo einzelne Professoren und ihre Laufbahn vorgestellt werden.

Letztendlich endete das Studentenleben für Juden mit dem Novemberpogrom in 1938, da ihnen das Betreten der Universitäten im ganzen Reich untersagt wurde.

Am 17.11.1945 wurde der Lehrbetrieb an der CAU mit ungefähr 2000 Studenten wieder aufgenommen. Jedoch weiß man nicht, ob sich zu der Zeit jüdische Studenten an der Universität befanden. Eine Sache, welche man allerdings sagen kann, ist, dass nur ein sehr kleiner Teil der geflohenen Juden nach Deutschland zurückkehrte. Daraus kann man schließen, dass ein jüdisches Studentenleben immer noch unmöglich schien, obwohl der Krieg vorbei war und eine neue Zeit für Deutschland beginnen sollte.


Quelle: Christoph Cornelisen, Carsten Mish: Wissenschaft an der Grenze. Die Universität Kiel im Nationalsozialismus, In: Klartext Verlag (2009).

Alte Synagoge und Reichspogromnacht: Zerstörung von jüdischem Leben damals und

Goethestraße 13, 24116 Kiel, DE

Alte Synagoge und Reichspogromnacht
Das Mahnmal soll an die Synagoge, welche in der Reichpogromnacht 1938 zerstört wurde und sich an diesem Ort befand, erinnern. Die Reichspogromnacht fällt auf die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In ganz Deutschland riefen die Nationalsozialisten zum Pogrom (gewaltsame Ausschreitungen gegen Minderheiten) gegen die Juden auf. Vorwand für die Gewaltausbrüche war das tödlich endende Attentat eines Juden auf einen deutschen Diplomaten, Ernst vom Rath, zwei Tage zuvor. In dieser Pogromnacht wurden zahlreiche jüdische Gebäude wie Synagogen und Geschäfte ausgeraubt oder zerstört sowie auch die jüdische Bevölkerung direkt angegriffen, ihrer Freiheit beraubt oder gar ermordet. Es wurden im gesamten Deutschen Reich ca. 1400 Synagogen ausgeraubt, verbrannt oder ganz zerstört. Dadurch nahm man dem jüdischen Gemeindeleben die Basis und versuchte dieses so zu vernichten.
Aus historischer Sicht wird die Pogromnacht von 1938 häufig als Beginn des Holocausts bezeichnet, auch wenn dies unter Historiker*innen umstritten ist.
Unter den Bildern findest du einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1938, nämlich den Aufruf des Reichspropagandaministers Dr. Goebbles nach der Reichspogromnacht an die Bevölkerung. Vielleicht schaffst du es ja, die alte Schrift zu entziffern und zu lesen.

Davidstern und Judenstern
Auf der Rückseite des Mahnmals befindet sich ein Davidstern, welcher heute ein Symbol des Judentums und des Volkes Israel ist. Dieser Stern wurde von den Nazis als Vorlage für den Judenstern genommen, welcher von den Juden während der NS-Zeit getragen werden musste.
Welche Konflikte heute im Bezug mit dem Davidstern und Judenstern auftreten, erfährst du in der Audiodatei.

Quellen
Goldberg, B. (2011). ABSEITS DER METROPOLEN. Wachholtz Verlag.
Paul, G. / Gillis-Carlebach, M. (1998). Menora und Hakenkreuz. Wachholtz Verlag.

URL: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1156195.antisemitismus-davidstern-als-stein-des-anstosses.htmlhttps://de.wikipedia.org/wiki/Davidstern
URL: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.unterschied-davidstern-und-judenstern.a91a807e-4b09-47b1-9e28-f333c1ce75d2.html
URL: https://www.religionen-entdecken.de/lexikon/d/davidstern
URL: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1156195.antisemitismus-davidstern-als-stein-des-anstosses.html
URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/260281/antisemitismus-heute-klassische-und-neue-erscheinungsformen-einer-ideologie
URL: https://www.kiel.de/de/bildung_wissenschaft/stadtarchiv/erinnerungstage.php?id=95
URL: https://www.lpb-bw.de/reichspogromnacht
URL: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/NS-Wahlkampf-und-Machtuebernahme-im-Norden,machtuebernahme102.html
URL: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Der-Judenstern-Stigma-und-Zeichen-brutaler-Verfolgung,judenstern100.html
URL: https://taz.de/Coronaproteste-in-Wien/!5816787/
URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-impfgegner-rechtsextreme-antisemitismus-1.5362745
URL: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-08/antisemitismus-corona-massnahmen-demonstrationen-uebergriffe-holocaust?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
URL: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2021/09/berlin-verurteilung-volksverhetzung-gelber-davidstern-impfgegner-antisemitismus.html

Stolpersteine: Kunstprojekt, Künstler, konkretes Beispiel an Familie Fischer

Muhliusstraße 77A, 24103 Kiel, DE

Bestimmt ist jeder von euch schon einmal darüber gestolpert… Die Rede ist von Stolpersteinen, die überall in Kiel, Deutschland und ganz Europa verstreut sind. Sie dienen als Erinnerung und Würdigung der Opfer der NS - Zeit. Anfang 2020 wurden bereits 75.000 Gedenksteine in Europa verlegt.
Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig. In Handarbeit erstellt er jeden Stolperstein selbst und verlegt diese auch.
Sie sind 10x10 cm groß. Auf den Stolpersteinen steht auf einer oben angebrachten goldenen Messingplatte der Name des jeweiligen Verfolgten, das Geburtsdatum, das Jahr der Deportation sowie das Todesjahr mit dem Todesort. Der erste Gedenkstein wurde am 16.Dezember 1992 vor dem Kölner Dom eingelassen. Mittlerweile ist es zum größten dezentralen Mahnmal der Welt geworden.

Doch wie entstand dieses große Mahnmal? Welche Intention steckt dahinter? Mehr erfahrt ihr in unserer Audiodatei!


Quellen:
https://youtu.be/gEscPMvANak - Arte
https://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig
https://www.kiel.de/de/kiel_zukunft/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine/_biografien/fischer_familie_stolpersteine.pdf



Der Mord an Dr. Friedrich Schumm

Kehdenstraße 16, 24103 Kiel, DE

Der 1. April 1933: Die Nationalsozialisten riefen unter der Parole "Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!" zum Boykott jüdischer Geschäfte auf. Dies hatte den Hintergrund, die Juden aus dem Wirtschaftsleben zu verdrängen und Geschäfte wurden abgeriegelt oder hatten unter anderweitigen Repressionen zu leiden.
Unter den Betroffenen befand sich der Rechtsanwalt Friedrich Schumm, welcher in Kiel geboren ist und dort zeitweilig mit seiner Familie gelebt hat. Er wurde in dem Möbelgeschäft seines Vaters festgenommen, in eine Polizeistation abgeführt und vermutlich von einigen Nationalsozialisten in seiner Zelle erschossen. Dieser Mord ist bis heute unaufgeklärt, da es einige unterschiedliche Theorien und Erzählungen gibt, wie der Mord damals abgelaufen ist.



Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schumm_(Jurist)
http://www.vimu.info/fb.jsp?id=for_10_6_7_fb_schumm_de&lang=de

Gängeviertel

Kleiner Kuhberg 26, 24103 Kiel, DE

Im Bereich des Kleinen Kuhberg 25 und Feuergang 2 existierte um 1938 das sogenannte Gängeviertel. Dieser Teil der Stadt Kiel war ein Gewirr aus winzigen Straßen mit Häusern, Scheunen und Nebengebäuden, in denen vor allem jüdische Familien lebten.
So auch die Familie Weber, dessen Stolpersteine noch heute am Europaplatz zu sehen sind. Die Familie zog zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Polen nach Kiel, eröffnet einen Gebrauchtwarenhandel und kaufte das Grundstück am Kuhberg. Infolge der "Polenaktion" wurde die Familie jedoch inhaftiert und die Stadt Kiel eignete sich dessen zwei Häuser an und funktionierte sie als "Judenhäuser" um. Dort lebten in den folgenden Jahren viele jüdische Familien in prekären Verhältnissen auf engstem Raum zusammen. Am 4. Dezember mussten sich alle dort lebenden Familien, auf Anweisung der Stadt Kiel, im Rathaus versammeln und dort auf ihre Deportation in die Konzentrationslager warten. 1945 wurde das Gängeviertel durch Bomben zerstört.

Literaturverzeichnis:
Bettina Goldberg (2002): Kleiner Kuhberg 25 - Feuergang 2, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 40 (Juli 2002).
Informationen zur Familie Weber: https://www.kiel.de/de/kiel_zukunft/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine/_biografien/weber_stolpersteine.pdf

Volksschule für jüdische Kinder ab 1937

Herzog-Friedrich-Straße 41-45, 24103 Kiel, DE

Bis 1937 wurden jüdische und nicht-jüdische Kinder in regulären Schulen gemeinsam unterrichtet. Am 25. April 1938 wurde dann in der Herzog-Friedrich-Straße 41 eine zweiklassige jüdische Volksschule mit der Absicht, jüdische und nicht-jüdische Kinder zu trennen, eröffnet. Die Schule bestand aus zwei Klassenräumen der Gewerblichen Berufsschule der Stadt Kiel.
Die jüdische Gemeinde selbst setzte sich stark dafür ein, dass eine eigene Schule für jüdische Kinder errichtet werden soll. Denn so wären die Kinder vor den tagtäglichen antisemitischen Anfeindungen, Diskriminierungen und Tyrannisierungen von den Lehrern und Schülern geschützt, die sie andauernd in den allgemeinen Schulen erlebt haben.
Der Unterricht an der jüdischen Volksschule Kiel bestand aus Volksschullehrfächern sowie Turnen und Zeichnen, zudem gab es auch Neuhebräisch und Englisch für die potenzielle Auswanderungen. Im Gegensatz zu den nicht-jüdischen Schulen wurde Rassenkunde nicht unterrichtet.

Die Volksschule wurde nach 18 Monaten, also am 1. Oktober 1939, geschlossen, da viele jüdische Familien Kiel verließen und die zwei Lehrerkräfte aus Deutschland geflüchtet sind.

Quellen:
https://www.kultur-port.de/blog/film/80-news/16941-ein-klassenfoto-von-1939-das-schicksal-der-schueler-innen-der-juedischen-volksschule-in-kiel.html
https://www.kielerleben.de/news/kiel-gedenkt-opfern-des-ns-terrors-10024872.html
Bettina Goldberg, Abseits der Metropolen: Die jüdische Minderheit in Schleswig Holstein, 2011.
Miriam Gillis-Carlebach/Gerhard Paul, Menora und Hakenkreuz, 1998.

Kindertransporte mit Fokus auf Henry Glanz

Sophienblatt 25-27, 24114 Kiel, DE

In dieser Station erfahrt ihr mehr zu den sogenannten Kindertransporten (mit besonderem Fokus auf der Geschichte von Henry Glanz), die zwischen 1938 und 1939 von der Jüdischen Gemeinde organisiert wurden, um jüdische Kinder und Jugendliche vor den Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen.

Knapp eine Woche nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938, bei der die Nationalsozialisten viele jüdische Geschäfte und auch Synagogen niedergebrannt haben, entschied sich der damalige britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain, nach Absprache mit einflussreichen Mitlgiedern der britisch-jüdischen Gemeinde, für die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen in Großbritannien.
Dies konnte die Jüdische Gemeinde erreichen, indem sie sich verpflichtete, sowohl die Reise- und Umsiedlungskosten der Kinder aus Deutschland, Polen, Tschechoslowakei, Österreich und der Freistadt Danzig nach Großbritannien in Höhe von 50 englischen Pfund bereitzustellen, als auch die Verteilung der am Ende über 10.000 Kinder zu neuen Pflegefamilien zu organisieren.

Wenige Tage später lockerte die britische Regierung die Einreisebestimmungen und appellierte an britische Familien, dass sie Pflegekinder aufnehmen sollten. Jüdische Kinder unter 17 Jahren durften nun einwandern, sofern eine Paten- oder Pflegefamilie für sie gefunden werden konnte, bei der sie Aufenthalt bekamen.


Quellen:
https://www.shz.de/regionales/kiel/ein-kieler-jude-erinnert-sich-id5542986.html
de.wikipedia.org/wiki/Kindertransport
Goldberg, Bettina: Mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Drei ehemalige Kieler erinnern sich. In: Geschichte und Biografie. Jüdisches Leben, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Schleswig-Hostein. Festschrift für Erich Koch. (ISHZ, Heft 33/34: September 1998, S. 121-140.)

Alter Jüdischer Friedhof

Michelsenstraße 22, 24114 Kiel, DE

Der Alte Jüdische Friedhof in Kiel liegt an der Michelsenstraße und wurde ca. Mitte des 19. Jahrhunderts erworben. Der Friedhof wurde während der Pogromnacht im Jahre 1938 beschädigt und letztendlich im 2. Weltkrieg durch Bombenangriffe der Alliierten zerstört. Ab 1947 arbeitete man an dem Wiederaufbau des Friedhofs, welcher heute eine Fläche von rund 2000m² besitzt.
Steht man heute vor dem Friedhof, so stellt man fest, dass das Areal von Mauern geschützt ist. Dies liegt darin begründet, dass es wiederholt zu Vandalismus kam und kommt. Bestattung finden diese Tage nicht mehr auf dem Friedhof statt, sondern auf dem neuen Friedhof in der Eichhofstraße.
Mehr über den Friedhof sowie über den Glauben und die Bestattung erfahrt ihr in der Audiodatei.

*Zusatz zur Audiodatei: Die Tradition, dass man Steine auf die Grabmäler legt, ist älter und geht historisch weit zurück. Vermutlich diente sie dazu, dass man Grabstätten durch die Steine erneut ausfindig machen konnte, da man früher noch keine großen Grabsteine besaß.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alter_J%C3%BCdischer_Friedhof_(Kiel)
https://www.juedische-friedhoefe.info/friedhoefe-nach-regionen/schleswig-holstein/kiel/der-alte-friedhof-in-kiel.html#/0

Arthur Posner

Sophienblatt 60, 24114 Kiel, DE

Arthur Bernhard (im Hebräischen Aktiva Baruch) Posner ist am 16. November 1890 in Samter, der Provinz Posen, im Deutschen Reich geboren. In Kiel war er vor dem Antritt der Nationalsozialisten der letzte Rabbiner. Er verfasste viele Schriftstücke über die jüdische Religion.

Posner absolvierte 1911 sein Abitur und begann danach zu studieren. Er erhielt das Rabbinatsdiplom und wurde Doktor der Philosophie.
1924 ist er als Rabbiner in Kiel angestellt worden. Nach dem Antritt der Nationalsozialisten wurde er jedoch entlassen. Er und seine Frau emigrierten nach Antwerpen in Belgien, wo sie allerdings ihr Leben nicht finanzieren konnten. Sie zogen deshalb nach Palästina. Dort starb Arthur Posner am 6. Mai 1962.

In Zusammenhang mit der Familie Posner stößt man auch auf das Bild eines Chanukkaleuchters. Was es damit auf sich hat und warum dieser heute noch eine Rolle spielt, erfahrt ihr, neben weiteren Informationen zu Arthur Posner, in unserer Audiodatei.





Literaturverzeichnis:
Gerhard Paul/Bettina Goldberg: Familie Posner, Kiel, in: Matrosenanzug - Davidstern, Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz; Wachholz Verlag
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Arthur_Bernhard_Posner
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Chanukkaleuchter_der_Familie_Posner

Dr. Wilhelm Spiegel

Forstweg 42, 24105 Kiel, DE

Dr. Wilhelm Spiegel war ein Anwalt, Notar und SPD-Politiker aus Kiel und wurde am 12. März 1933 im Forstweg 42, seinem Zuhause, von Nationalsozialisten erschossen. Damit war er einer der ersten, die der Herrschaft der Nationalsozialisten unter Adolf Hilter zum Opfer fielen.


Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Spiegel
D. Hauschild, Juden in Kiel… (Stadtarchiv, Buchausschnitt)
Biografisches Lexikon für SH & Lübeck, Band 10 Neumünster 1994 (Stadtarchiv)

Deportationen: Sammelstelle Rathaus

Fleethörn 9, 24103 Kiel, DE

Unter "Deportationen" versteht man im Allgemeinen die zwangsweise Verbannung oder Verschickung von Menschen wie Verbrecher, politischen Gegnern oder ganzen Volksgruppen.
In der NS-Zeit wurden systematische Deportationen von ganz bestimmten Volksgruppen wie dem jüdischen Volk, aber auch Sinti und Roma, durchgeführt. Die Zahl für die schleswig-holsteinischen Juden kann man schwer festlegen, jedoch lebten 1933 in ganz Schleswig-Holstein rund 1900 Juden. Im November 1942 nur noch 59. Die meisten sind entweder deportiert und/oder ermordet wurden, die wenigsten sind geflüchtet. Für die Deportation der schleswig-holsteinischen Juden war seit 1941 Fritz Barnekow, von 1941-1943 stellvertretender Chef der Kieler Gestapo und Leiter des Judenreferats II B5, einer der Hauptverantwortlichen.

Die erste Deportation von Kiel aus fand am 06. Dezember 1941 statt. Zwei Tage zuvor hatte man alle 41 Personen, die für die Deportation an diesem Tage eingeplant waren, im Luftschutzbunker des Rathauses versammelt, wovon wir leider keine Bilder machen durften, welcher jedoch nach Angaben des Stadtarchivs winzig und sehr verwinkelt ist. Das Ziel der ersten Deportation war das KZ-Lager „Jungfernhof“ in Riga. Die zweite Deportation fand am 19. Juli 1942 statt und betraf 37 Juden und Jüdinnen, wovon neun aus Kiel stammten. Diese Deportation hatte als Ziel Theresienstadt in Tschechien.

Im Angesicht der bevorstehenden Deportation begannen zehn Jüdinnen und Juden aus Kiel Suizid, denn die Gräueltaten und Lebensumstände in den Lagern hatten sich z.T. herumgesprochen.
Aufgrund der zunehmenden Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung, welche auch in anderen Stationen dieses Walks beschrieben werden, flüchteten bereits 45 Juden und Jüdinnen vor Kriegsbeginn, wobei 13 nachweislich den Krieg überlebten, 15 vermutlich starben - über den Rest fand man keine Informationen. Eine Dunkelziffer an Personen verließ Kiel ohne Meldung, wobei man leider annehmen muss, dass diese bereits in andere Städte gebracht wurden und anschließend deportiert oder inhaftiert wurden, woraufhin es keinen Eintrag ins Melderegister gab.

Man geht heute davon aus, dass ca. 90% von den aus Schleswig-Holstein stammenden Juden während der NS-Zeit ermordet wurden.


Quellen:
Stadtarchiv Kiel
https://akens.org
https://www.spd-kiel.de/2016/11/02/das-gedenken-an-die-kieler-opfer-der-deportationen-von-194142-wachhalten/
https://de.wikipedia.org/wiki/Judenverfolgung_in_Schleswig-Holstein_(1933–1945)