Geschichtsstationen in Walbröl

Stadtführung Hochstraße 11, 51545 Waldbröl, DE

In der Marktstadt Waldbröl und in einigen Außenorten finden sich geschichtsträchtige Stätten, die es wert sind, in der Historie der Stadt einen Platz zu finden. Auf insgesamt 27 Stelen und Denkmaltafeln finden Sie im Stadtgebiet und einigen Dörfern rund um die Stadt Wissenswertes und Entdeckungswürdiges an den einzelnen Standorten.

Autor: Wir für Waldbröl GmbH

Die Geschichtsstationen

Die Geschichtsstationen

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27 Stationen

Zuccalmaglio-Platz und Glockenspiel

Inselstraße 6, 51545 Waldbröl, DE

Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio
auch „Wilhelm von Waldbrühl“ oder „Dorfküster Wedel“

* 12.04.1803 Waldbröl
+ 23.03.1869 Nachrodt b. Altena

Wilhelm Zuccalmaglio [tsukalm’alio] war ein bekannter Dichter, Musiker und Sammler deutscher Volkslieder.

1838-40 gab er zusammen mit A. Kretzschmer ‚Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen‘ (zwei Bände; Nachdruck 1969) heraus, zu denen er Texte und Melodien selbst schrieb.

Bekanntestes Beispiel seines Schaffens ist das Lied „Kein schöner Land„

Das Zuccalmaglio-Denkmal in Waldbröl wurde im Jahr 2003 von seinem Standort im Zuccalmagliopark am Stadtrand umgesetzt an den neuen Zuccalmaglio-Platz in der Altstadt. Dort wurde es am 12.04.2003 feierlich enthüllt und eingeweiht.


Als zur Feier des 200. Geburtstages im Jahr 2003 das Zuccalmaglio-Denkmal in die Hochstraße umgezogen werden konnte, entstand zusätzlich die Idee, dass man das Denkmal mit einem Glockenspiel noch zusätzlich aufwerten könne. Inspiriert durch das Glockenspiel Zuccalmaglios letzter Ruhestätte in Altena, waren sich verschiedene Kultur-Begeisterte in Waldbröl einig, dass man dieses tolle Highlight auch in Waldbröl realisieren wollte. Eröffnet wurde das Glockenspiel im Jahre 2013.

Das Glockenspiel erklingt täglich um 11, 13, 16 und 18 Uhr sowie donnerstags zusätzlich um 10 Uhr in der Hochstraße am Zuccalmaglio-Platz, in direkter Nähe zu dem Geburtshaus des Dichters und Volkslied-Sammlers. Die musikalische Palette reicht von „Kein schöner Land“ bis hin zu stimmungsvollen Frühlings-, Sommer- oder Weihnachtsliedern.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Katholische Kirche

Inselstraße 6, 51545 Waldbröl, DE

In direkter Nachbarschaft zur evangelischen Kirche wuchs ab 1706, aus Bruchsteinen errichtet, ein dem heiligen Erzengel Michael geweihter Sakralbau empor. Die katholische Kirche Waldbröls trägt daher den Namen St. Michael.

1715 konnte hier die erste Messe gefeiert werden. Der Turm reichte zunächst nur bis zur Höhe des Mauerwerkes. Er wurde 1763 als Fachwerkkonstruktion vollendet und wenige Jahre später mit Glocken bestückt. Trotz des Kirchenbaus blieb die neu gegründete katholische Gemeinde aus kirchenrechtlicher Sicht eine Missionsstelle; erst 1805 erhielt sie den Status einer Pfarrei.

Mit dem Umbau von 1882 wandelte sich die bis dahin sehr schlichte architektonische Gestalt der Michaelskirche: An die Stelle eines einfachen Saalbaus mit rechteckigem Chor trat eine dreischiffige gewölbte Hallenkirche; die barocken Altäre wichen einer neugotischen Ausstattung. Bereits 1855 war das Pastorat des 18. Jahrhunderts durch ein neues Pfarrhaus, einen wohlproportionierten Bruchsteinbau, ersetzt worden. Das rapide Anwachsen der katholischen Gemeinde nach 1945 durch den Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus Ost- und Mitteldeutschland rief das Bedürfnis nach einer größeren Pfarrkirche wach. Bei den von 1960 bis 1964 dauernden Bauarbeiten wurde die südliche Längswand mitsamt einer Säulenreihe abgebrochen, um einen Erweiterungsbau mit neuem Eingang anzufügen.

Die beiden Kirchtürme der katholischen Kirche St. Michael (linke Bildmitte) und der evangelischen Kirche (rechte Bildmitte) prägen das Stadtbild und sind längst zu einem Wahrzeichen der Marktstadt Waldbröl geworden.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Altstadt

Bitzenweg 1, 51545 Waldbröl, DE

Die am Zuccalmaglioplatz zusammentreffenden Straßen – Insel-, Gerichts- und Hochstraße, Hahnenstraße und Bitzenweg – bildeten den Mittelpunkt des alten Waldbröl. Auf der Urkatasterkarte von 1830 heißt die Gegend um die beiden Kirchen sinnigerweise „Im Dorf Waldbröl“. Inzwischen hat sich für diesen Bereich mit seinem historischen Flair der Begriff „Altstadt“ eingebürgert, besitzt doch Waldbröl bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert Stadtrechte.

Am Bitzenweg brach am 27. April 1769 ein Brand aus, der in nur zwei Stunden das Kirchdorf Waldbröl fast vollständig einäscherte: 29 Wohnhäuser und 13 Scheunen wurden ein Raub der Flammen. Allein die beiden Kirchen und sieben zumeist ärmliche Häuser im Oberdorf, jenseits des Kirchhofes, blieben verschont. Der Wiederaufbau erfolgte durchweg in Fachwerk. Nachdem Waldbröl 1816 zum Verwaltungsmittelpunkt eines preußischen Landkreises aufgestiegen war, wuchs die Einwohnerzahl des Ortes kontinuierlich an:

Zählte man 1815 noch 350 Bewohner, so waren es 1861 schon 600 und im Jahre 1900 1.074 Personen. Dieser Entwicklung zum Trotz bewahrte sich Waldbröl in seinem Kern den dörflich-bäuerlichen Charakter. Zwar beschloss die Gemeindevertretung 1894, den Straßen Namen zu geben und die Wohngebäude entsprechend neu zu numm­­erieren. Doch waren damals viele Straßen ungepflastert oder, wie die Hochstraße, nur zum Teil mit einem Pflaster versehen. An der Bitze befand sich ein landwirtschaftlicher Betrieb (Mannherz) mit Viehhaltung, der erst 1938 nach Happach ausgesiedelt wurde. In Richtung Hochstraße schloss sich an dieses Bauerngut eine Hufschmiede an. Gegenüber lag das Fuhrgeschäft des Gastwirts Hoemann mit Pferdestall und Wagenremise.

Im Haus Bitzenweg 2 (heute Gastronomiebetrieb) kam 1853 der Arzt und Krankenhausgründer Dr. Carl Venn zur Welt. In der Hahnenstraße wohnten die ersten Beamten der preußischen Ära, Landrat Heinrich Joseph Joesten (1763–1829) und Bürgermeister Maximilian Joseph Venn (1776–1815). Das denkmalgeschützte Gebäude Hahnenstr. 8 errichtete ein Sohn des Landrats im Jahre 1846.Ein eigenes Gepräge hat der zentrale Abschnitt der Hochstraße mit seinen Hotel- und Geschäftsbauten. Den Anfang machte der Gastwirt Wilhelm Römer.

Er baute um 1840/50 eine an der evangelischen Kirche gelegene Gaststätte zu einem renommierten Hotel aus, das ab 1920, unter dem Hotelier Althoff, eine zweite Blüte erlebte. 1868 verlegte der Kaufmann Christian Bertrams sein Textilgeschäft in ein Haus gegenüber dem Hotel Römer – die Keimzelle des späteren Kaufhauses Bertrams. Das nebenstehende Gebäude mit Beletage-Balkon entstand 1896 für eine Möbelhandlung. Im Anschluss an die Sanierung der Hochstraße (1988) schufen private Investoren durch Renovierung sowie historisierenden Um- und Neubau ein stimmiges Ensemble. Einen entschieden modernen Akzent setzt seit 2010 die keilförmige Erweiterung des Amtsgerichts.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Gedenktafel Paul von Bettenhagen

Hochstraße 7, 51545 Waldbröl, DE

Ende Januar 1813 erhoben sich bergische Aufständische mit Knüppeln bewaffnet an zahlreichen Orten gegen die erneute Rekrutierung für Napoleons Armeen.Einer von ihnen, der 19-jährige Leineweber Johann Wilhelm Pauli aus Waldbröl, genannt Paul von Bettenhagen, wurde in einem militärischen Schnellverfahren zum Rädelsführer erklärte und zum Tode durch Erschießen verurteilt.

Die Vollstreckung erfolgte am 15.2.1813 an der evangelischen Kirche in Waldbröl. Sein Name steht stellvertretend für alle, die sich damals gegen eine willkürlich han­delnde Obrigkeit auflehnten, die der Not des Volkes gleichgültig gegenüberstand.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Evangelische Kirche

Bergstraße 2, 51545 Waldbröl, DE

Der original romanische Turm des evangelischen Gotteshauses wurde im Jahr 1131 errichtet, übrigens aus dem Siebengebirgstrachyt, mit dem auch der Kölner Dom errichtet wurde. Auch der Taufstein der Kirche stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist einen Blick wert. Der Taufstein ist ein von acht Säulen getragenes Becken mit Kapitellen, die teilweise als Gesichtsmasken ausgebildet sind.

Die beiden Kirchtürme prägen das Stadtbild Waldbröls, auch wenn sie sich turmseits „anschauen“, also nicht beide nach Osten ausgerichtet sind, was bei solch alten Kirchengebäuden tatsächlich sehr ungewöhnlich ist. Religion ist vielfältig, und das wird gerade in Waldbröl großgeschrieben. Zum Glauben und der Historie gehören aber immer auch die Bewohner einer Stadt. Und die sind in Waldbröl ausgesprochen herzlich und zuvorkommend.

eine Kirche mit einer Uhr am Straßenrand - Himmel, Fenster, Pflanze, Gebäude, Baum, Wolke, Straßenoberfläche, Fassade, Stadt, Kirchturm
Die große Feuersbrunst des Jahres 1769 überstand die Kirche weitgehend unbeschadet. Aber 1837 war ihr Langhaus so baufällig, dass sie geschlossen werden musste. 1839 wurde das Kirchenschiff abgerissen. An seine Stelle trat 1843 ein klassizistischer Saalbau im Stil der vom preußischen Architekten Schinkel entworfenen „Normalkirche“. Bei den Bauarbeiten stieß man auf die Grabplatte des 1509 verstorbenen Windecker Amtmanns Adolf Quad von Isengarten (heute am nördlichen Eingang angebracht). Als Dank für die Unterstützung, die der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. (Regentschaft 1797–1840) der finanziell klammen Gemeinde bei ihrem Neubauprojekt gewährt hatte, enthüllten die Waldbröler 1863 vor der Kirche eine Porträtbüste des Herrschers. Der damals amtierende, liberal orientierte Pastor Wilhelm Hollenberg hatte während seiner 46jährigen Dienstzeit (1853–1899) so manchen Strauß mit den Anhängern der in Waldbröl stark vertretenen pietistischen Erweckungsbewegung auszufechten. Auch wegen seiner Verdienste um das Schulwesen ist er bis heute der bekannteste in der langen Reihe der evangelischen Pfarrer Waldbröls. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat vor allem das Kircheninnere wiederholt eine grundlegende Erneuerung erfahren. Seit der Renovierung von 1961/62 besitzt der Saal eine Kassettendecke nach klassizistischem Vorbild. Der Kirchplatz auf dem Areal des 1804 aufgegebenen Kirch- und Friedhofs wurde 2016/17 neu gestaltet, um eine bessere Einbindung des Platzes in den Stadtraum zu erreichen.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Wiedenhof

Hahnenstraße 1, 51545 Waldbröl, DE

Die Bezeichnung „Wiedenhof“ verweist auf einen der Kirche „gewid­meten“ Hof. Dieses längst verschwundene Pfarrgut diente den Waldbröler Pfarrern wohl bereits im Mittelalter als Wohnsitz, die zugehörigen Ländereien bildeten ihre wichtigste Einkommensquelle.

Auf dem Grundstück des Wiedenhofs entstand in den Jahren 1825–1828 das heute denkmalgeschützte (alte) evangelische Pfarrhaus, ein ganz aus Eichenholz gezimmerter zweistöckiger Fachwerkbau. Blickte man von Süden auf Waldbröl, so war das Pastorat bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das einzige Anwesen außerhalb des geschlossenen Dorfkerns; die 1903 abgebrannte Pfarrscheune beherbergte vorübergehend die von Pfarrer Hollenberg gegründete Bürgerschule.

Ab 1891 schob sich schräg gegenüber das sperrige Gerichtsgefängnis ins Bild (1963 für ein Lehrschwimmbecken abgerissen). Anstelle der Wiedenhofstraße gab es einen schmalen, „Gosse“ betitelten Weg, durch den ein Quellrinnsal zum Brölbach hinunterfloss – die Quellen im Wiedenhof trugen noch nach dem Zweiten Weltkrieg zur Trinkwasserversorgung bei. Ein Abschnitt des Wiedenhofbaches ist inzwischen wieder freigelegt und renaturiert worden. Zum Pfarrhaus gesellte sich 1905 das evangelische Gemein­­dehaus, das 1980 einem modernen Gemeindezentrum weichen musste. Nach dem Beschluss zur Schaffung einer zweiten evangelischen Pfarrstelle wurde 1912 an der Oststraße der Grundstein zu einem neuen Pastorat gelegt. Der noble Bau im bergischen Stil gehört derselben architektonischen Richtung an wie die 1912 in nächster Nachbarschaft eröffnete Wiedenhofschule. Beide zählen zu den überzeugendsten Beispielen für landschaftsgebundenes Bauen in Waldbröl.

Der Friedhof oberhalb des alten Pfarrhauses wurde 1804 von der evangelischen Gemeinde eingerichtet, nachdem die Behörden die zuvor üblichen Bestattungen auf dem Kirchhof rings um die Pfarrkirche untersagt hatten. Als der Platz nicht mehr ausreichte, legte man 1901 einen zweiten evangelischen Friedhof auf der anderen Straßenseite an. In der NS-Zeit be­gann 1938 der Ausbau der Wiedenhofstraße, die als Zufahrt zur geplanten Adolf-Hitler-Schule auf der den Ortskern überragenden Anhöhe vorgesehen war.

Die Vorgaben – Straßenverbreiterung auf bis zu 14 m bei gleichmäßiger Steigung – machten aufwendige Erdarbeiten notwendig; auch die Friedhofseingänge erfuhren eine Umgestaltung. Die Ära der konfessionellen Begräbnisstätten endete in Waldbröl 1953 mit der Einweihung des kommunalen Bergfriedhofes, die Friedhofskapelle datiert von 1965. An den alten evangelischen Friedhof am Wiedenhof erinnern noch einige historisch wertvolle Grabsteine. Er geht heute nahtlos in den Wiedenhofpark über. Der Weiher im Park ist der letzte von einstmals vielen im Stadtgebiet.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Schulstadt Waldbröl

Die älteste Schule in Waldbröl war die „Kirch­spielsschule“ der evangelischen Gemeinde. Ihre Gründung könnte in die Jahre nach der Einführung der Reformation (1563) fallen; erwähnt wird sie erstmals im Jahre 1616. Aufgrund der schlechten Wegverhältnisse und der weit verbreiteten Armut war es nur einer kleinen Zahl von Kindern möglich, diese Schule zu besuchen. Für die übrigen gab es in einzelnen Ortschaften des Waldbröler Kirchspiels die sogenannten Heckschulen, an denen in den Wintermonaten fachlich nicht gebildete und miserabel entlohnte Lehrer unterrichteten.

Als das Rheinland 1815 an Preußen fiel, kam das Ende der damals 16 Heckschulen der Bürgermeisterei Waldbröl. Als Volksschulen zugelassen wurden neben der Kirchspielsschule zunächst nur die drei früheren Heckschulen in Bladersbach (1826), Wilkenroth und Hochwald (jeweils 1827). Die angehenden Volksschullehrer durchliefen eine Ausbildung an den ab 1818 eingerichteten Lehrerseminaren.

Als nächster Schritt folgte 1825 die allgemeine Unterrichtspflicht, die freilich nicht sofort konsequent durchgesetzt werden konnte. Die 1824 an der oberen Hochstraße errichtete evangelische Volksschule erhielt 1853 einen Neubau; die erste katholische Volksschule wurde 1848 an der heutigen Vennstraße gegründet. 1875 gab es in der Gemeinde Waldbröl acht evangelische und drei katholische Volksschulen. Während sich diese Schulhäuser fast durchweg als nüchterne Bruchsteinbauten präsentierten, gab man ab 1890, unter Rückbesinnung auf die bergische Bautradition, schieferverkleideten Gebäuden den Vorzug.

Markantestes Beispiel ist die 1912 am Wiedenhof eröffnete neue evangelische Schule (heute GGS Wiedenhof). Die 1960er Jahre brachten die Aufteilung der Volksschule in eine vierjährige Grund- und eine fünfjährige Hauptschule; 1968 wurden in Waldbröl die letzten Volksschulen aufgelöst. Einen Meilenstein in der Waldbröler Schulgeschichte bedeutete die Gründung der „Höheren Bürgerschule“ durch den Pfarrer Wilhelm Hollenberg (1820–1912) am 1. Mai 1861. Der Unterricht fand anfangs in einem Fachwerkhaus am Wiedenhof, später in der Pfarrscheune ebendort statt.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Ledergewerbe in Waldbröl

Oststraße 3A, 51545 Waldbröl, DE

Waldbröl und sein Umland waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein agrarisch geprägt. Nachdem das ehemals florierende Eisengewerbe um 1800 in die Krise geraten war, unterblieb eine Industrialisierung, wie sie etwa im Nachbarkreis Gummersbach stattfand. Immerhin bot die hiesige Niederwaldwirtschaft den Ansatz für eine bescheidene gewerbliche Entwicklung. Sie lieferte mit der Eichenrinde (Lohe) einen für die Ledererzeugung, speziell die Herstellung von Schuhsohlenleder, nötigen Rohstoff.

1856 eröffnete der Rotgerber Eduard Schumacher (1833–1918) eine Gerberei am Marktplatz, wo seit 1851 der Waldbröler Viehmarkt abgehalten wurde: ein Anziehungspunkt für die Schuster im weiten Umkreis, die sich in Waldbröl das Sohlleder beschafften. Diesen Standortvorteil suchte sich auch der Kaufmann Christian Bertrams zunutze zu machen. Er errichtete um 1890 direkt neben Schumachers Firma eine eigene Gerberei. Die beiden mehrfach verschwägerten Familien verstanden es, den Umbrüchen in der Lederproduktion über zwei Weltkriege hinweg zu trotzen.

Während die Firma Bertrams mit der Gründung der Rhein-Sieg Lederfabrik GmbH (1948/49) den Schritt zum industriellen Großbetrieb mit bis zu 100 Beschäftigten ging, wahrten die Schumacherschen Gerbereien am Markt, in der Oststraße (seit 1924) und an der Brölbahnstraße (seit 1926) bis zuletzt ihren handwerklichen Charakter. Unabhängig von der Ledererzeugung ent­wickelte sich die Waldbröler Lederwarenindustrie. Ihre Geburtsstunde schlug 1914, als der Bürovorsteher Karl Barth (1883–1945) am Boxberg eine „Militäreffekten-Fabrik“ eröffnete, um das deutsche Heer mit Lederutensilien zu beliefern. Nach Kriegsende wurde die Produktion auf Reiseartikel umgestellt. Bald schon liefen die Geschäfte so gut, dass Barth 1928/29 auf einem Gelände unterhalb des Bahnhofs ein vierstöckiges Fabrikgebäude errichten ließ. Koffer, Taschen und Aktenmappen wurden unter der Marke „Berggold“ vertrieben. Barths Gründung erwies sich als Initialzündung, da eine ganze Reihe seiner Mitarbeiter eigene Firmen ins Leben riefen.

Zu ihnen gehörte Karl Böcker (1870–1945). Er begann 1919 mit der Fabrikation von Lederwaren und erwarb später das Haus des Rotgerbers Hannes an der Oststraße samt umliegendem Terrain für den Bau der zweitgrößten Lederfabrik in Waldbröl. 1957, im Jahr der Stadterhebung, gab es in Waldbröl fünf lederherstellende und acht lederverarbeitende Betriebe. Man sprach stolz von einem „Offenbach im Kleinen“ – die hessische Stadt galt als Vorort der Lederbranche. Bis 1962 stellten dann alle fünf Gerbereien ihre Produktion ein.
Länger konnten sich die Lederwarenfabriken halten, bevor auch sie der ausländischen Konkurrenz erlagen. 1987 musste die Firma Karl Barth aufgeben, die zeitweise 370 Arbeitskräfte beschäftigt hatte. Als letzter lederverarbeitender Betrieb schloss 2010 die Firma Hochweller in Schnörringen ihre Tore. In Waldbröl selbst sind die früheren Produktionsstätten aus dem Stadtbild verschwunden. Erhalten geblieben ist allein der 2016 von der Stadt zur Nachnutzung übernommene Komplex der Firma Böcker.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Ehemalige Heil- und Pflegeanstalt

Scharnhorststraße 32, 51545 Waldbröl, DE

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erhielt Waldbröl durch private und öffentliche Bauten ein neues Gesicht. Ehrgeizigstes Projekt war die Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke, die 1897 ihre Tätigkeit aufnahm.

Zu dem dreigeschossigen, 150 Meter langen Haupthaus kamen 1905 vier mehrstöckige Pavillons hinzu. Während diese „Villen“ mittlerweile abgerissen wurden, sind das ehemalige Direktorenwohnhaus und das Ärztehaus von 1913/14 an der Kaiserstraße noch vorhanden.

Die Anstalt besaß rund 650 Betten und war mit ihren zahlreichen Beamten und Bediensteten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nach der zwischenzeitlichen Umwidmung zum Heim für Schwererziehbare (1921–1926) belegten wieder psychisch Kranke, betreut von Duisburger Diakonen, die Anstalt.

Im Zuge der großangelegten Planungen des NS-Funktionärs Robert Ley gelangte das gesamte Anstaltsgelände im Oktober 1938 in das Eigentum der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF). Etwa 700 Patienten mussten in das ehemalige Franziskanerkloster Hausen im Westerwald umziehen; viele von ihnen fielen dem NS-Euthanasieprogramm zum Opfer. Seit 1998 erinnert eine Gedenktafel im Königsbornpark an ihr Schicksal. Beim Umbau in ein Hotel der DAF-Unter­organisation „Kraft durch Freude“ verschwand ein Großteil der kaiserzeitlichen Bausubstanz. Die Eingangshalle wurde mit Marmor und bis heute erhaltenen Großmosaiken (Entwurf: Otto Gerster) ausgeschmückt. Der Kriegsausbruch verhinderte eine Vollendung des Hotelgebäudes. Bis 1944 liefen die Bauarbeiten weiter, dann folgte die Umstellung auf Lazarett- und Krankenhausbetrieb (ab 1952 als Kreiskrankenhaus). Diese Ära endete 1969 mit der Eröffnung des neuen Waldbröler Kreiskrankenhauses. Als „Haus am Schaumburgweg“ beherbergte das Gebäude bis 2006 u. a. verschiedene Einrichtungen der Bundeswehr.

Seit 2008 befindet sich hier das Europäische Institut für angewandten Buddhismus (EIAB). Aus ungenutzten Säulenelementen der NS-Zeit entstanden am neuen Zugang zum EIAB ein Tor und im Zen-Garten ein 21 Meter hoher Glockenturm Stupa). Sie sind sichtbare Zeichen für den Transformationsprozess auf historisch belastetem Areal.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Kriegerdenkmal

Denkmalstraße 17, 51545 Waldbröl, DE

Die Initiative, auf dem Alsberg ein Ehrenmal für die Gefallenen der „Einigungskriege“ von 1866 und 1870/71 zu errichten, ging ursprünglich vom Vaterländischen Frauenverein des Kreises Waldbröl aus. Nachdem der 1869 in Waldbröl gegründete Krieger- und Landwehrverein sich das Anliegen zu eigen gemacht hatte, konnte das Denkmal am 18. Juni 1884 eingeweiht werden. Schwertumgürtet erhebt sich eine Germaniafigur auf dem Obelisken; das Postament trägt die Inschrift: „Zum Gedenken unserer gef. Helden 1866, 1870–71“.1920 beschloss der Waldbröler Kriegerverein, das Denkmal zwecks Ehrung der im Weltkrieg 1914–1918 gefallenen Soldaten aus der Gemeinde zu erweitern.

Man wandte sich an einen Architekten aus Barmen: Prof. Peter Klotzbach (1875–1947), ein namhafter Vertreter des Heimatschutzstils, hatte bereits vor 1914 den Kreis Waldbröl in Baufragen beraten. Er entwarf eine sogenannte Kolonnade: einen halbkreisförmigen Rundbau aus gemauerten Steinsäulen mit verbindenden Querbalken. Die feierliche Einweihung fand am 15. Oktober 1922 statt. Im „Dritten Reich“ wurden die Kriegerverbände, die durch­weg dem konservativ-deutschnationalen Lager angehörten, zunächst im NS-Reichskriegerbund „gleichgeschaltet“, 1943 dann aufgelöst. 1954 kam es zur Gründung der Kyffhäuserkameradschaft Waldbröl, einer Nachfolge­orga­nisation des Kriegervereins.

Sie gelangte 1957 erneut in den Besitz des Kriegerdenkmals. Weil dessen Gestaltung nicht mehr zeitgemäß erschien, wurde für die Toten des Zweiten Weltkriegs eine neue Ehrenanlage auf dem städtischen Bergfriedhof auf der Kirchenhecke geschaffen. Dort überragt ein steinernes Kreuz die Ruhestätten der Gefallenen. Das Kriegerdenkmal auf dem Alsberg wurde 1977/78 gründlich renoviert und ist in die Denkmalliste der Stadt Waldbröl eingetragen.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Alter Bahnhof

Bahnhofstraße 32, 51545 Waldbröl, DE

Am 15. Dezember 1906 wurde Waldbröl mit der Inbetrieb­nahme der Bahnverbindung nach Wiehl und Osberghausen (an der Bahnstrecke Siegburg–Dieringhau­sen–Olpe) an das Normalnetz der preußischen Staatsbahn ange­schlossen (Spurweite 1435 mm). Seit der Eröffnung der Bröltalbahn Hennef–Ruppichteroth–Waldbröl (1870), einer Schmalspurbahn mit Spurweite 785 mm, waren mehr als drei Jahrzehnte vergangen.

Am 30. September 1908 folgte die Einweihung der Strecke Hermes­dorf–Morsbach mit dem 786 Meter langen Tunnel Kömpel als Kernstück. Der 1906 eröffnete, aber erst 1909 fertiggestellte Bahnhof trug – zur Unterscheidung vom Bahnhof der Bröltalbahn im Ortszentrum – die amtliche Bezeichnung „Waldbröl Staats­bahnhof“ (ab 1920 „Reichsbahnhof“).

Er bestand aus dem Empfangs­gebäude mit Bahnhofs­gaststätte, einer Lok­station, einem Güter­schuppen sowie einem Stellwerk. Eine weitere Ergänzung erfuhr das normalspurige Netz im Ober­­ber­gischen 1915 durch die Kleinbahnverbindung Bielstein–Nümbrecht–Waldbröl („Homburger Bahn“): Die genau 18,3 Kilometer lange Trasse erreichte nach der Durchquerung des Homburger Länd­chens zwischen Drinsahl und Happach das Waldbröler Gemeinde­gebiet, führte an der Hollenberg­schule, dem heutigen Rathaus, vorbei und mündete schließlich in das Bahnhofsgelände ein.

Die Station „Waldbröl Kleinbahnhof“ beschränkte sich auf einen Bahnsteig mit kleinem Empfangsgebäude am Übergabegleis zur Staatsbahn. Damit verfügte der Verkehrsknotenpunkt Waldbröl über drei Endbahnhöfe. 1935 wurde ein Stellwerkteil an das Hauptgebäude des Reichsbahnhofs angebaut, 1937 der Bahnsteig überdacht. Am 10. September 1944 forderte ein Angriff alliierter Jagdbomber auf den von Waldbröl nach Wiehl fahrenden Personenzug unweit der Boxberger Brücke mindestens sieben Tote. Der durch Luftangriffe im März 1945 schwer beschädigte Bahnhof wurde nach dem Krieg wiederhergerichtet.

In den 1950er Jahren verlagerte sich der Verkehr immer mehr von der Schiene auf die Straße. Die 1949 gegründete „Oberbergische Verkehrsgesellschaft AG“ (OVAG) stellte 1957 auf der Kleinbahn Bielstein–Waldbröl die Personenbeförderung, 1966 auch den kompletten Gütertransport ein; unmittelbar darauf folgte der Gleisabbau.
Für den Personenverkehr nach Morsbach kam das Aus 1960, für den nach Wiehl und Osberghausen 1965 – jeweils unter der Regie der Bundesbahn (DB). Anders als bei der Bielsteiner Bahn blieben die Gleisanlagen beider Trassen aber nach dem Ende des Güterverkehrs und der offiziellen Stilllegung 1997 erhalten. Ein mehrjähriger Rechtsstreit über ihren Fortbestand konnte 2009 förmlich beigelegt werden.
Auf Teilabschnitten der Wiehltalstrecke, die vom Förderkreis zur Rettung der Wiehltalbahn e. V. instand gesetzt wurde, verkehren seit 1999 touristische Personenzüge. Dabei kommt auch die restaurierte Dampflokomotive „Waldbröl“ zum Einsatz, die 1914 in der Lokfabrik Arnold Jung in Jungenthal bei Kirchen (Sieg) für die Kleinbahn Bielstein–Waldbröl gefertigt wurde.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Winterschule

Gerdesstraße 7, 51545 Waldbröl, DE

Im beginnenden 19. Jahrhundert geriet die oberbergische Landwirtschaft, Haupt­erwerbs­­quelle der zumeist klein­bäuer­lichen Bevölkerung, in eine tiefe Krise. Höhepunkte waren die Hungerjahre 1816/17 und 1846/47. Zu den denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen zähl­ten schlechte Bodenqualität, raues Klima, rückständige Anbautechniken und die aus der Realerbteilung resultierende Besitzzersplitterung.

Es waren vor allem die preußischen Landräte, die mit Reformbemühungen hervortraten. Der Waldbröler Landrat Oscar Danzier (1820–1879) förderte 1852, ein Jahr nach der Einrichtung des Waldbröler Viehmarktes, im benachbarten Denklingen die Entstehung einer der ersten Ackerbauschulen in Rheinpreußen. Sie sollte den Bauernsöhnen das theo­retische Rüstzeug für eine verbesserte Bodenbewirtschaftung ver­mitteln. Das Schulprojekt scheiterte jedoch an der verbreiteten Skepsis gegenüber Neue­rungen. Zudem konnte kaum eine Landwirtsfamilie auf die Arbeitskraft eines Kindes verzichten. 1874 schloss die Schule ihre Pforten. Erst nach einem Vierteljahrhundert griff man in Waldbröl die Idee wieder auf und richtete 1899 eine landwirtschaftliche Winterschule ein – zunächst an der oberen Hauptstraße, ab 1909 in einem Neubau nahe dem Bahnhof.

Das ortsbildprägende Bauwerk im bergi­schen Stil fand unter den Vertretern des Heimatschutzgedankens großen Anklang. Der Unterricht war auf das Winterhalbjahr, die erntefreie Zeit, beschränkt und erstreckte sich über zwei Semester. Seit 1937 bestand eine hauswirtschaftlich ausgerichtete Frauenabteilung mit geso­n­derten Räumlichkeiten.

Der in den Nachkriegsjahren einsetzende Struktur­wandel war auch im Ober­- bergischen mit einem jähen Bedeu­tungs­verlust der Landwirtschaft verbunden; die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ging stark zurück. Wegen sinkender Schülerzahlen wurde die Schule 1971 geschlossen. Heute dient das aufwendig renovierte Gebäude als barrierefreies Wohnheim für psychisch kranke Menschen.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Waldbröl als Kreisstadt

B256 67, 51545 Waldbröl, DE

Auf dem Wiener Kongress 1815 kam das Rheinland zu Preußen. Ein Jahr später trat die preußische Verwaltungseinteilung in Regierungsbezirke sowie Stadt- und Landkreise in Kraft. Sie knüpfte an die administrativen Strukturen der napoleonischen Ära an. Der neu geschaffene Landkreis Waldbröl setzte sich aus den Kantonen Waldbröl und Homburg zusammen; das Homburger Ländchen wurde aber rasch wieder ausgegliedert.

Der kurzlebige Kanton Waldbröl (1809–1815) hatte sich seinerseits in seinem Zuschnitt an den Grenzen des bergischen Amtes Windeck orientiert. Der neue preußische Landkreis führte diese Traditionslinie bis 1932 weiter. Zum ersten Landrat des Kreises Waldbröl wurde bezeichnenderweise der letzte Richter des Amtes Windeck, Heinrich Joseph Joesten, ernannt. Der Kreis Waldbröl umfasste die Bürgermeistereien Dattenfeld (mit Rosbach), Denklingen, Eckenhagen, Morsbach und Waldbröl. Im Gründungsjahr 1816 zählte er 15.109 Einwohner.

Zwei Drittel waren evangelisch, ein Drittel katholisch. Als Teil des Regierungsbezirkes Köln gehörte er zu der 1822 eingerichteten, seit 1830 so benannten „Rheinprovinz“. Für mehr als ein Jahrhundert sollte Waldbröl Sitz preußischer Landräte bleiben. Mit weitreichenden Kompetenzen versehen, haben die meisten dieser Verwaltungsbeamten eine positive Erinnerung hinterlassen: Im heutigen Waldbröl tragen vier Straßen die Namen besonders verdienter Landräte (Danzier, Maurer, Gerdes, Eichhorn). Herausgehoben sei der Landrat Karl Maurer (1816–1878), und dies nicht nur wegen seiner langen, von 1852 bis 1878 währenden Amtszeit. Er setzte das Aufbauwerk seines nur vier Jahre amtierenden Vorgängers Oscar Danzier tatkräftig und erfolgreich fort. Schwerpunkte von Maurers Wirken waren die Armutsbekämpfung, die Förderung des Schulwesens und die Verbesserung der unterentwickelten Verkehrsverhältnisse durch Straßen- und Bahnbau. Das Landratsamt verfügte lange Zeit über kein eigenes Domizil, sondern war nacheinander in verschiedenen Privatbauten untergebracht. Im Jahre 1900 konnte das repräsentative Kreisständehaus am damaligen östlichen Ortseingang bezogen werden. Die Waldbröler nannten das im altdeutschen Stil errichtete Gebäude scherzhaft „Burg Eltz“.

Als das Kreishaus 1928 einen von Prof. Peter Klotzbach entworfenen Erweiterungsbau erhielt, kursierten längst Pläne für eine Neuordnung der preußischen Landkreise. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1932 wurde der vergleichsweise einwohner- und steuerschwache Kreis Waldbröl aufgelöst (1925: 30.212 Einwohner). Die Gemeinden Dattenfeld und Rosbach wurden dem Siegkreis zugeschlagen, die übrigen Kommunen mit dem Kreis Gummersbach zum Oberbergischen Kreis vereinigt; Waldbröl verlor den Kreissitz. 1977 ließ die Kreissparkasse im Zuge eines Neubauprojektes das bis dahin als Hauptgeschäftsstelle genutzte alte Kreishaus abreißen, nur das Eingangsportal mit Inschrift überdauerte als Spolie, eingefügt in die Stützmauer des Gebäudes. Das 1891/93 erbaute und 1906 erweiterte Landratswohnhaus hingegen wurde mit Unterstützung des Handwerkervereins 1984 zum Bürgerhaus mit Sitzungsräumen und Stadtbücherei umgewidmet und 1994/96 renoviert.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Ehemalige Villa Venn

Nümbrechter Straße 6-2, 51545 Waldbröl, DE

Die Anfänge des Gesundheitswesens in Wald­bröl sind eng mit dem Namen des Arztes, Landtagsabgeordneten und Sanitätsrates Dr. Carl Venn (1853–1910) verbunden. Der Spross einer Waldbröler Honoratiorenfamilie fungierte ab 1884 als Kassenarzt der im Vorjahr gegründeten Gemeindekrankenversicherung. 1887 richtete er in einem bescheidenen Fachwerkhaus am Bohlenhagener Weg (seit 1910 Vennstraße) die erste Krankenstube ein. Durch seine Tatkraft und seinen Einsatz für die ärmeren Schichten gewann er in Waldbröl große Popularität.

Der Wohnsitz des Arztes, die historistische, von einem Parkgelände umgebene Villa Venn, wurde 1972 ein Opfer der Abrissbirne. An ihre Stelle trat der Merkurkomplex – ein überdimensionierter Betonbau, der inzwischen seinerseits vom Erdboden verschwunden ist. Neben Pfarrer Wilhelm Hollenberg (1820–1912) trat Dr. Carl Venn 1893 bei der Gründung der „Evangelisches Krankenhaus zu Waldbröl GmbH“ als Mitinitiator auf.

Unternehmenszweck war die Errichtung von Krankenanstalten sowohl für psychisch als auch für körperlich Kranke. Das Baugelände zwischen Wiedenhof und Boxberg stellte die evangelische Kirchengemeinde Waldbröl zur Verfügung. Im Schlag­schatten der imposanten Heil- und Pflegeanstalt wurde am 9. Juni 1897 das gut 50 Betten umfassende Krankenhaus seiner Bestimmung übergeben. Es war als Operationskrankenhaus für seine Zeit durchaus modern eingerichtet. 1920 übernahm die evangelische Kirchen­gemeinde das Krankenhaus und führte es in eigener Regie bis 1938, als es in die Verwaltung der Zivilgemeinde überging. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erlitt das Gebäude schwere Schäden. Daraufhin kam es zum Umzug in die ehemalige, zuletzt als Kriegslazarett verwendete Heil- und Pflegeanstalt; das alte Krankenhaus wurde zu einer Berufsschule umgebaut (heute Kaufmännisches Berufskolleg Oberberg).

Anfang der 1960er Jahre kamen Überlegungen auf, das Krankenhaus wegen der ungünstigen Raumeinteilung und der Überbelegung einzelner Stationen zu erweitern. 1964 ebnete jedoch ein Kreistagsbeschluss den Weg für einen kompletten Neubau. Der 420 Betten zählende Komplex nach einem Entwurf des Düsseldorfer Architekten Karl Monerjan konnte nach dreijähriger Bauzeit am 30. Mai 1969 eingeweiht werden.

Das Kreiskrankenhaus ist als akademisches Lehrkranken­haus mit der medizinischen Fakultät der Universität Bonn verbunden und mit rund 500 Beschäftigten einer der wichtigsten Arbeitgeber in Waldbröl. 2008 fusionierte es unter dem Dach der Klinikum Oberberg GmbH mit dem Kreiskrankenhaus Gummersbach.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Altes Rathaus / ehem. Hollenberg-Schule

Nümbrechter Straße 19, 51545 Waldbröl, DE

Die Geburtsstunde der politischen Gemeinde Waldbröl schlug am 15. März 1809. Hintergrund war eine umfassende Verwaltungsreform im napoleonischen Großherzogtum Berg (1806–1813). Die Basis der neuen Verwaltungsgliederung bildeten auf lokaler Ebene die Munizipalitäten (Mairien). Bei der Abgrenzung der Munizipalbezirke orientierte man sich weitgehend an älteren administrativen Einheiten, den Kirchspielen.

Die neu geschaffene Mairie Waldbröl mit 4.055 Einwohnern auf 66 km² umfasste neben dem Kirchspiel Waldbröl den oberen Teil des Kirchspiels Rosbach. Einigendes Band zwischen den beiden Sprengeln – die Nahtlinie verlief durch das Westerttal und entlang der Nutscheidstraße bis nach Escherhof – war die althergebrachte Zugehörigkeit zum Pfarrbezirk Waldbröl. In preußischer Zeit (ab 1815) wurden die Mairien in Bürgermeistereien umgetauft, in ihrem Umfang aber zumeist nicht angetastet. In Waldbröl hatten die 1809 gezogenen Grenzen bis zur nordrhein-westfälischen Gebietsreform Bestand: Im Zuge der Neugliederung des Oberbergischen Kreises musste die Kommune zum 1. Juli 1969 fünf Ortschaften an die Gemeinde Reichshof abtreten, eine weitere an die Gemeinde Nümbrecht.

Den Status einer Stadt erhielt Waldbröl am 5. Februar 1957. Hatte sich der Gemeinderat noch 1927 vergeblich um die Verleihung von Stadtrechten bemüht, so gab nun die wirtschaftliche und demographische Dynamik des Ortes den Ausschlag. Vor allem durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten war die Einwohnerzahl nach dem Zweiten Weltkrieg stark angewachsen. Sie erhöhte sich zwischen 1939 und 1957, dem Jahr der Stadtwerdung, von 7.844 auf rund 11.600 Personen. Heute leben in Waldbröl auf einem Stadtgebiet von 63 km² mehr als 20.000 Einwohner. Sie verteilen sich über den Kernort und 64 Außenortschaften. Über ein eigenes Rathaus verfügte die Bürgermeisterei Waldbröl seit 1847.

Der schmuck­lose Zweckbau im Schatten der evangelischen Kirche fiel 1968 der Abrissbirne zum Opfer. Schon 1946 hatte die Gemeindeverwaltung das alte Rathaus verlassen, um für ein Jahrzehnt das ehemalige Kreishaus in der oberen Kaiserstraße zu nutzen. Am 28. März 1956 erfolgte der Umzug in das heutige Rathaus am Alsberg. Das rundum mit Schiefer verkleidete Bauwerk in regionaltypischer Formensprache, 1905 als Rektoratsschule eingeweiht (ab 1921 „Hollenbergschule“), stand leer, nachdem das Hollenberg-Gymnasium im Januar 1956 einen Neubau auf dem Kalkberg bezogen hatte.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Alte Post

B256 26a, 51545 Waldbröl, DE

Als Waldbröl 1815 zum Hauptort eines preußischen Landkreises aufstieg, gab es im gesamten Kreisgebiet keine postalische Einrichtung. Das Landratsamt erhielt die für den hiesigen Raum bestimmten Postsendungen aus Siegburg zugestellt. 1829 eröffnete der Waldbröler Gastwirt und Kaufmann Wilhelm Steiniger (1797–1869) in seinem Ladengeschäft an der Nümbrechter Straße eine Postexpedition.

In direkter Nachbarschaft erbaute Steiniger vor der Jahrhundertmitte ein klassizistisches Haus am „Alten Graben“, der späteren Hauptstraße (heute Kaiserstr. 38). Hierhin verlegte er Geschäft und Postanstalt. Um 1852 entschied er sich angesichts des expandierenden Postbetriebs zum Bau eines Posthauses mit Diensträumen, Pferdeställen und Remisen für die Postkutschen (Kaiserstr. 36). 1869 wurde die Waldbröler Postexpedition in ein Postamt III. Klasse umgewandelt. Bis ins 20. Jahrhundert gab die Postverwaltung angemieteten Gebäu­den den Vorzug gegenüber Neubauten in eigener Trägerschaft. Nach der langjährigen Nutzung des Posthauses Steiniger (ca. 1852–1878/1884–1896) fiel die Wahl auf ein Mietposthaus an der unteren Hauptstraße (Kaiserstr. 9), das der Gastwirt Carl Hochhardt 1895/96 gemäß den Vorstellungen der Kölner Oberpostdirektion errichten ließ. Rasch machte sich Raummangel bemerkbar, doch mussten Neubaupläne wegen Krieg und Inflation zurückgestellt werden.

Endlich konnte am 6. Mai 1928 auf einem Grundstück neben der Adler-Apotheke ein neues, posteigenes Dienstgebäude eröffnet werden. Für den Kraftpostverkehr stand zur Vennstraße hin eine Großgarage zur Verfügung: Die Waldbröler Post besaß damals sechs Busse und befuhr neben anderen Linien die vielgenutzte Strecke Waldbröl–Schladern. Ende 1962 wurde das Posthaus vom neuen Postamt in der Vennstraße abgelöst.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Kaiserstraße

Kaiserstraße 19, 51545 Waldbröl, DE

Der Bau der „Wiehlmünden-Rother Chaussee“ – von Wiehlmünden im Aggertal nach Roth bei Wissen an der Sieg – brachte dem verkehrsfernen Kreisort Waldbröl im Jahre 1850 die langersehnte Einbindung in das überregionale Straßennetz. Ab 1863 zweigte am westlichen Ausgang des Dorfes die Bröltalstraße (jetzt B 478) ab, welche die Verbindung zum Rheintal gewährleistete. Insgesamt erwies sich der Straßenbau als entscheidender Faktor für den Aufschwung Waldbröls im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dort, wo die Chaussee den Ort durchquerte, hatten außer der schon 1808 gegründeten Adler-Apotheke nur wenige Häuser von einfachem Zuschnitt gestanden. Nun verdichtete sich die Bebauung zusehends. Den Auftakt machte, wohl noch vor Abschluss der Straßenarbeiten errichtet, das klassizistische Haus des Kaufmanns und Posthalters Steiniger an der Ecke zur späteren Nümbrechter Straße (Haus Robach, Kaiserstr. 38). Bis zur Jahrhundertwende bildete sich eine Haupt- und Einkaufsstraße heraus, die stellenweise kleinstädtische Züge annahm.

Die Errichtung der Landratswohnung (heute Bürgerhaus) und des Kreishauses im östlichen Weichbild des Ortes setzten der weiteren baulichen Expansion ein Ziel. Den symbolischen Abschluss der Wachstumsphase vor dem Ersten Weltkrieg stellte das 1913 erbaute Kaufhaus Reitmeister (Kaiserstr. 40) dar. Am 16. Oktober desselben Jahres besuchte der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. (Regentschaft 1888–1918) das Oberbergische Land. Auf der Fahrt von Gummersbach nach Wissen machte er in Waldbröl kurz Halt. Die kaiserliche Stippvisite war für die monarchietreue Bevölkerung der Region ein unvergessliches Ereignis. Die Waldbröler Hauptstraße wurde in Kaiser­straße umbenannt und erinnert seitdem an den hohen Besuch, ebenso wie die gleichnamigen Straßen in Gummersbach und Wipperfürth. Die Kaiser­straße kam ohne größere Schäden durch den Zweiten Weltkrieg. Auch in den 1950er Jahren änderte sich an ihrem äußeren Bild nur wenig. Erst die um das Jahr 1964 einsetzenden Abbrüche, parallel zum Ausbau der Straße als Ortsdurchfahrt der B 256, führten zu massiven Beeinträchtigungen.

Im Sommer 1968 sanken das alte Rathaus von 1847 und die anschließende Häuserzeile in Trümmer. Als noch einschneidender erwies sich 1972 der Abriss der 1885 erbauten Park-Villa des Arztes Carl Venn und des ehemaligen Hotels Heyderhoff. Nach dem Willen der Stadtväter sollte auf dem Gelände ein neues Stadtzentrum entstehen. Das Resultat war ein maßstabssprengender Wohn- und Geschäftskomplex, das 1977 vollendete Merkurhaus (2019/20 abgerissen). Einzelhandelsfunktion und Aufenthaltsqualität der Kaiserstraße litten unter dem stetig zunehmenden Durchgangsverkehr. Ihre Aufwertung ist ein Kernthema des 2013 vom Waldbröler Rat beschlossenen Inte­grierten Entwicklungs- und Handlungs-Konzeptes (IEHK). Durch eine ganze Reihe von Bau- und Umbaumaßnahmen, flankiert von einem innenstadtverträglichen Verkehrs­­konzept, soll die Kaiserstraße wieder den Charakter einer Einkaufs- und Flaniermeile erhalten.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Druckereien in Waldbröl

Kaiserstraße 18, 51545 Waldbröl, DE

Im Januar 1859 kam der aus Siegburg gebürtige Buchdrucker Johann Michael Flamm (1832–1891) nach Waldbröl. Ermutigt durch den von 1852–1878 amtierenden Landrat Karl Maurer, begann er noch im selben Monat eine anfangs „Waldbröler Intelligenz-Blatt“ genannte Wochenzeitung zu drucken. Die war keineswegs das erste eigenständige Waldbröler Nachrichtenblatt: Schon seit 1850 existierte, von dem ortsansässigen Drucker Rosenkranz herausgegeben, das „Waldbröler Kreisblatt“.

Diese Zeitung erlag jedoch rasch der Konkurrenz des Flammschen Blattes, das 1860 seinen Namen in „Waldbröler Kreis- und Intelligenz-Blatt“, 1862 in „Waldbröler Kreis-Blatt“ änderte. Sitz der Druckerei war seit 1868 ein von Flamm erworbenes Haus an der Waldbröler Hauptstraße (heute Kaiserstr. 18). Nach seinem Tod im Jahre 1891 führten seine Witwe Maria geb. Diepenbach und die Kinder das Geschäft weiter. Die „Waldbröler Zeitung“ – so der neue Name – erschien ab 1927 als Tageszeitung; in ihrer Blütezeit hatte sie eine Auflage von 3.000–4.000 Exemplaren. Von 1903 an gab es eine Alternative für die Waldbröler Zeitungsleser: den „Waldbröler Anzeiger“ des Schwaben Christian Haupt (1876–1959).

Für sein freies Wort geschätzt und gefürchtet, stellte das seit 1905 in Waldbröl (ab 1914 in einem eigenen Domizil an der Kaiserstraße) gedruckte Blatt in den 1920er Jahren als Folge von Inflation und Arbeitslosigkeit sein Erscheinen ein. In dieser Situation übernahm Haupt 1929 die Herstellung des nationalsozialistischen Kampfblattes „Oberbergischer Bote“ und weiterer NS-Parteigazetten im Lohndruck; Geschäftsstelle und Verlag verblieben in Brüchermühle (heute Gem. Reichshof). Nach Hitlers Machtübernahme 1933 siedelten Verlag, Redaktion und Druck des „Oberbergischen Boten“ nach Gummersbach um. Den Anfeindungen der übermächtigen NS-Parteipresse konnte die Familie Flamm nur wenige Monate standhalten.

Am 31. Januar 1934 erschien die letzte Ausgabe der im Vorjahr noch einmal umbenannten „Neuen Waldbröler Zeitung“ – fast auf den Tag genau 75 Jahre nach dem Druck des ersten Flammschen Blattes. Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierten die großen Kölner Blätter ins Oberbergische; die Zeit der kleinen lokalen Tageszeitungen war abgelaufen. Lediglich Anzeigenblätter wurden bis 1971 noch bei Flamm gedruckt. In der Firma Haupt kam es 1948 unter den Schwiegersöhnen des Gründers zur Aufspaltung in zwei selbstständige Unternehmenszweige. Otto Heise übernahm die nunmehr vom Stammhaus, der Buchhandlung Haupt, getrennte Druckerei, die 1967 ein neu errichtetes Gebäude in der Gartenstraße bezog. Eng mit dem Namen der Druckerei Heise verbunden ist die „Mundorgel“. Das mit rund 14 Millionen verkauften Exemplaren wohl bekannteste deutsche Liederbuch wurde hier ab 1953 gedruckt, zwischen 1968 und 2010 befand sich die Geschäftsstelle des Mundorgel-Verlages in Waldbröl. 1994 stellte die Druckerei Heise ihren Betrieb ein; Produktion und Verwaltung der Druckerei Flamm wurden 1999 nach Gummersbach verlagert.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Brölbahnkreisel

Kaiserstraße 9, 51545 Waldbröl, DE

Mitten in der Innenstadt von Waldbröl ist vor langer Zeit ein Stück Waldbröler Geschichte geschrieben worden. Denn bis 1953 gehörte der Bereich zwischen dem heutigen Brölbahnkreisel und dem Busbahnhof zu dem Bahnhof­sgelände, auf dem von 1870 an die erste Schmalspurbahn Deutschlands verkehrte. Die Bröltalbahn wird als erste öffentliche Schmalspurbahn Deutschlands bezeich-net, weil ihre Spurweite gerade einmal 785 mm betrug. Bei der Staatsbahn beträgt der Abstand zwischen den beiden Schienen hingegen 1435 mm. Aber weil sich die Züge den engen Weg durch das Bröltal mit den anderen Verkehrsteilnehmern teilen mussten, wurde die Strecke der Bröltalbahn so platzsparend wie möglich angelegt. Viele interessante Informationen und Geschichten rund um die Brölbahn gibt es rund um den Brölbahnkreisel auf insgesamt 9 Informationstafeln. Außerdem gibt es ein großes Schaubild eines historischen Fotos – dort, wo früher das Bahnhofsgebäude stand.

Ursprünglich wurde die Schmalspurbahn für die Beförderung von Kalk und Eisenerz eingesetzt. Sie fuhr ab 1862 zunächst von Ruppichteroth und brachte Rohstoffe nach Hennef, die dann weiter zur Friedrich-Wilhelms-Hütte nach Troisdorf transportiert wurden. Anfangs zogen Pferde die Züge.

Ab 1863 kamen Dampflokomotiven zum Einsatz. Die Bevölkerung war zunächst skeptisch, denn in der damaligen Zeit war eine Dampflok nichts Alltägliches. Viele bezeichneten sie daher voller Ehrfurcht als „feuerspeiendes Ungetüm“. Doch der Umstieg auf die Dampflok war wirtschaftlich von großem Vorteil. Während ein Transport mit Hilfe von Pferden bis zu neun Stunden in Anspruch nahm, dauerte eine Fahrt im Dampfbetrieb etwa zweieinhalb.

Als jedoch schon nach wenigen Jahren die Kalk- und Erzvorkommen zur Neige gingen, beschloss die Bröltaler Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft, das Schienennetz bis nach Waldbröl auszubauen und somit auch Personen­verkehr zu ermöglichen.

Mit einer finanziellen Unterstützung vom preußischen Staat stand dem Vorhaben nichts mehr im Weg.

Am 6. September 1870 war es dann so weit: Die Strecke nach Waldbröl wurde eröffnet. Jetzt bestanden die Züge aus Güter- und aus Personenwagen.

Fahrten mit der Bröltalbahn waren zu Beginn für die Fahrgäste kostenfrei. Erst ab 1872 wurden Fahrpreise erhoben. Trotzdem stieg die Personenbeförderung weiter an. Der Güterverkehr dagegen ging zurück.

Der Bahnhof erfreute sich zunehmender Beliebtheit, schließlich fanden die Wald­bröler hier Anschluss, um das Oberbergische zu verlassen. Als das Streckennetz zwischen 1892 und 1902 auch noch bis Bonn-Beuel, Siegburg, Rostingen und Asbach in die andere Richtung ausgebaut wurde, eröffneten sich gleich ganz neue Reisemöglichkeiten.

Doch nicht nur die Waldbröler nutzten die Bahn, um die Stadt zu verlassen, auch viele Menschen aus dem Umland kamen mit dem „Brölbähnchen“ nach Waldbröl, um beispielsweise den Viehmarkt zu besuchen. Bis zu sieben Mal pro Tag verließ ein Zug den Waldbröler Bahnhof. Manchmal wurden sogar Sonderzüge eingesetzt. Die Fahrgäste saßen sich gegenüber auf Holz­­­bänken. Mit einer Durch­schnitts­­geschwindigkeit von nur etwa 20 km/h ging es durch das Bröl­­tal, und das nicht selten ruck­elig.

Die Bröltalbahn war für die Waldbröler nicht bloß einfach ein Beförderungsmittel. Sie war ein Stück echte Begegnung und hatte somit einen ganz besonderen Charme. Mit einem Augenzwinkern nannten die Fahrgäste ihre Bröltalbahn „den feurigen Elias“. Während heutzutage Bahnfahren auf den einfachen Transport beschränkt ist, war die Reise mit der Bröltalbahn eine ganz persönliche Angelegenheit für die Fahrgäste. Der Zugführer kannte viele seiner Fahrgäste beim Namen, und nicht selten kam es vor, dass er auch mal wartete, wenn sich ein Gast verspätete. Dass dies nicht ohne Folgen blieb, war klar. Doch dieses außergewöhnliche Miteinander machte die Bröltalbahn so wertvoll für die Waldbröler. Während der vielen Fahrten hat die Bröltalbahn viele Geschichten erlebt, an die man sich auch noch heute, nach ihrer Stilllegung, gern erinnert.

Da die Verkehrsbetriebe befürchteten, Konkurrenz durch Busunternehmen zu bekommen, setzten sie ab 1925 zusätzlich eigene Busse ein. Der Bahnverkehr wurde in den 1930er Jahren mit dieselbetriebenen Triebwagen verbessert. Die Basalt AG, welche schon in den 1890er Jahren die Aktienmehrheit an der Bröltaler Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft erworben hatte, war ursprünglich auf den Gütertransport fokussiert und hatte dementsprechend kein besonderes wirtschaftliches Interesse an der Personenbeförderung. Weitaus größer war das Interesse am Streckenausbau zum Westerwald, wo sich der Gütertransport wegen des profitreichen Basalttransportes noch lohnte. Das Brölbähnchen musste also trotz voller Züge den LKWs, Bussen und Autos weichen. Am 1. März 1953 stellte das Unternehmen den Bahnbetrieb in Waldbröl für immer ein. Die Gleise und Bahnhofsanlagen wurden nach und nach entfernt, der Abriss des Bahnhofsgebäudes erfolgte erst in den 1970er Jahren. Noch heute heißt die Straße am Busbahnhof Brölbahnstraße. Nicht nur diese Informationstafeln erinnern an die Zeit der Bröltalbahn. Wenn Sie in die Mitte des Kreisverkehrs blicken, können Sie Schienen entdecken, welche nicht nur die Bepflanzung umrahmen. Sie markieren den früheren Endpunkt der Bröltalbahn.

Die Chronik des Brölbähn­chens
auf einen Blick
17.05.1862 Aufnahme des Pferdebetriebs auf der Strecke von Hennef bis Ruppichteroth

28.03.1863 Einführung von Dampflokomotiven

06.09.1870 Streckenausbau und Aufnahme des Güter- und Personenverkehrs zwischen Hennef und Waldbröl

1892-1902 Streckenausbau bis Beuel, Siegburg, Rostingen und Asbach

01.02.1925 Erste Busse werden zwischen Waldbröl und Hennef eingesetzt

1934 Dampflokomotiven werden durch Diesel-Triebwagen ersetzt

01.02.1953 Der Personenverkehr der Bröltalbahn wird eingestellt

01.03.1953 Der letzte Güterverkehr
wird eingestellt

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Vieh- und Krammarkt

Am Marktplatz 3, 51545 Waldbröl, DE

Erste Bestrebungen, in Waldbröl einen öffentlichen Viehmarkt zu etablieren, gab es Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein entsprechender Vorstoß des damaligen Bürgermeisters der Gemeinde, Joseph Jeger, verlief 1809 im Sande. Mehr Erfolg war zur Jahrhundertmitte der Initiative des Waldbröler Landrats Oscar Danzier beschieden. Obgleich nur vier Jahre im Amt (1848–1852), ergriff der rührige Verwaltungsbeamte eine ganze Reihe von Maßnahmen, um gegen die strukturellen Schwächen der oberbergischen Landwirtschaft anzugehen. Von der Einrichtung regelmäßiger Monatsmärkte für den Handel mit Großvieh versprach sich Danzier eine belebende Wirkung auf die Viehhaltung. Diese stellte für viele oberbergische Kleinbauern die einzige Geldquelle dar. Es mangelte jedoch an Verkaufsstellen und Absatzmöglichkeiten.

Am 16. Oktober 1850 bewilligte die preußische Bezirksregierung den Vorschlag des Landrats. Vorgesehen waren zunächst zwei Märkte jährlich, in den Monaten Mai und August. Am 1. Mai 1851 fand der Waldbröler Viehmarkt zum ersten Mal statt. Den Marktplatz, bereits am jetzigen Standort, hatte der Gemeinderat auf Buschparzellen am Rande des Unterdorfes herrichten lassen. Angesichts der großen Resonanz ging man schon im Folgejahr dazu über, die Märkte an jedem ersten Donnerstag der Monate April bis November abzuhalten. Die Wahl fiel nicht zuletzt deswegen auf diesen Wochentag, weil drei Viertel der Händler der jüdischen Religion angehörten und am Freitag vor Sabbatbeginn zu Hause sein mussten. Die Händler stammten zumeist aus dem Oberbergischen und dem Siegtal, vereinzelt auch aus dem Westerwald, dem Sauer- und dem Münsterland. Von Beginn an übte der Viehmarkt eine beträchtliche Anziehungskraft auf die Verkäufer von allerlei Kramwaren aus; die behördliche Genehmigung des Krammarktes wurde 1860 erteilt. Der Waldbröler Viehmarkt wuchs stetig, bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Zahl von 23 Märkten pro Jahr erreicht war. Eine Blüte erlebte er in den 1930er Jahren. Im Jahre 1936 summierten sich die Auftriebsziffern auf nahezu 16.000 Stück Großvieh und 8.500 Schweine. Die von den Nationalsozialisten erzwungene Verdrängung der jüdischen Viehhändler aus dem Marktleben bereitete 1938 dem Höhenflug ein jähes Ende. Nach längerer kriegsbedingter Pause wurde der Viehmarkt 1949 wieder eröffnet, ohne die alte Bedeutung im Großviehhandel wiederzuerlangen.

Hingegen verzeichneten der Handel mit Jungschweinen und der Geflügelmarkt anfangs große Zuwächse. Heute ist der Viehhandel deutlich in den Hintergrund getreten, auch wenn in der 1983 erbauten Markthalle noch immer Zuchtgeflügel sowie Haus- und Jungtiere zum Kauf angeboten werden. Ehemals nur Nebenprodukt, bestimmt längst der Krammarkt das Bild des Wochenmarktes, eines der größten in Nordrhein-Westfalen: Die Gesamtlänge des bis in den Ortskern reichenden Marktgeländes beläuft sich auf 1.500 m. Marktbetreiber ist seit 2007 die Wir für Waldbröl GmbH.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Waldbröl in der NS-Zeit

Bitzenweg 51, 51545 Waldbröl, DE

Der Kreis Waldbröl blieb nach dem Ersten Weltkrieg konservativ-monarchistisch orientiert; dominierende politische Kraft war zunächst die Deutschnationale Volkspartei (DNVP). Früher als im übrigen Rheinland fanden hier nationalsozialistische Ideen Anklang. Bereits bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 verzeichnete die NSDAP im Kreis Waldbröl und in den angrenzenden homburgischen Gemeinden einen Erdrutschsieg. Das Resultat auf Kreisebene (36,2 %) wurde in Gemeinden wie Waldbröl (44,1 %), Eckenhagen (54,5 %) und Nümbrecht (62 %) deutlich übertroffen. Bei den beiden Reichstagswahlen von 1932 erzielte die Hitlerpartei noch höhere Ergebnisse, die aber rheinlandweit nicht mehr den Ausnahmecharakter von 1930 hatten.

Entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung hatte der Parteifunktionär Dr. Robert Ley (1890–1945). In Niederbreidenbach bei Nümbrecht geboren, machte er als Gauleiter Rheinland-Süd (ab 1925) das Oberbergische zu einem Schwerpunkt der Propaganda. Der rhetorisch begabte Ley trat betont bodenständig auf. Gerade die evangelische Bevölkerung der Region, darunter zahlreiche Anhänger der pietistischen Erweckungsbewegung, wusste er dank der vorgeblichen Übernahme christlicher Grundpositionen zu gewinnen.

Nach der „Machtergreifung“ von 1933 stellte sich unter vielen evangelischen Christen im Bergischen Land Ernüchterung ein. Gegen die NS-Kirchenpolitik formierte sich die Bekennende Kirche. Einer ihrer profiliertesten Vertreter, der Waldbröler Pfarrer Kuno Kruse, wurde 1936 wegen staatsfeindlicher Äußerungen zu Gefängnis verurteilt. Nach seinem Aufstieg zum Reichsorganisationsleiter der NSDAP und zum Leiter der „Deutschen Arbeitsfront“ (1932/33) hielt Ley die Verbindungen ins Oberbergische aufrecht. Auf seine Initiative hin erfolgte am 15. Januar 1938 an der Kirchen­hecke die Grundsteinlegung für eine als Eliteschule geplante „Adolf-Hitler-Schule“. Aufgrund der Kriegsereignisse wurde nur eine 700 Meter lange Stützmauer fertiggestellt. Sie trägt seit 1982 den Schriftzug „Nie wieder Krieg!“.

Im ehemaligen Baubüro des Architek­ten Clemens Klotz (1886–1969) befindet sich heute ein Schullandheim. Makulatur blieben auch Leys hochfliegende, 1940 von Hitler genehmigte Pläne, Waldbröl als Pendant der VW-Stadt Wolfsburg zur „Stadt der Volks­traktorenwerke“ umzubauen – der größten Stadt zwischen Köln und Kassel mit mehr als 100.000 Einwohnern. Unter den NS-Größen galt Robert Ley als besonders rabiater Antisemit. Zielscheibe seiner Tiraden waren schon früh die wenigen oberbergischen Juden: 1925 lebten in den Kreisen Gummersbach und Waldbröl gerade einmal 70 jüdische Bürger.

Die Erinnerung an die in Waldbröl ansässigen Familien hält seit 1990 ein Gedenkstein in der Querstraße wach. Während der Novemberpogrome 1938 wurde das Geschäft der Eheleute Bettelheiser in der Kaiserstraße demoliert. Bereits 1937 mussten Albert und Hedwig Elias ihre Metzgerei in der Quer­straße verkaufen. Beide Ehepaare verzogen nach Köln. Von dort aus wurden sie 1941 gen Osten deportiert und ermordet. Ein ähnliches Schicksal erlitt Julie Salomon, Witwe eines 1935 verstorbenen Waldbröler Viehhändlers. Rechtzeitig emigrieren konnten die Geschwister Ruth und Gustav Elias. Mit dem Einzug amerikanischer Truppen am 8. April 1945 gingen in Waldbröl Krieg und NS-Herrschaft zu Ende. Zum Gedächtnis an die Gefangenen, Vermissten und Gefallenen des Krieges errichtete die Gemeinde 1953 ein Kreuz auf dem Heidberg.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Nutscheid

51545 Waldbröl, DE

Das Nutscheid ist ein bewaldeter Bergrücken zwischen den Flüssen Sieg und Bröl. Der Höhenzug erstreckt sich von der Brölmündung bei (Hennef-)Müschmühle über ca. 30 km bis in das südliche Waldbröler Stadtgebiet, wo er ohne klare Trennlinie in das Morsbacher Bergland übergeht. Im siedlungsarmen Nutscheid befindet sich eines der größten Forstgebiete im Bergischen Land mit 1.500 ha Fläche.

Das war nicht immer so: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war Hochwald hier eher selten anzutreffen, drückte die Niederwaldnutzung der Kulturlandschaft ihren Stempel auf. Die wenigen verbliebenen Niederwaldareale stehen teilweise unter Naturschutz – so am Galgenberg, wo die Bladersbacher Waldnachbarschaft, eine traditionsreiche Genossenschaft, den Birken-Eichen-Niederwald bewirtschaftet.

Neben der Waldnutzung wurde auf dem Nutscheid im Mittelalter auch Eisenverhüttung betrieben. Das belegen archäologische Funde von Feuerschlacke aus dem 12./13. Jahrhundert entlang des Nutscheidhöhenweges.Dieser von der Rheinebene ins Siegerland führende Fernweg, von den Einheimischen als „Alte Straße“ und (fälschlicherweise) als „Römerstraße“ bezeichnet, blieb bis zum 19. Jahrhundert eine der wichtigsten West-Ost-Verbindungen im Bergischen Land.

Erstmals erwähnt wird er 1464 als „Hohe Straße“. Wie andere mittelalterliche Überlandwege verlief er über eine Wasserscheide, in diesem Fall diejenige zwischen Sieg- und Bröl-/Waldbröltal, um die Durchquerung der sumpfigen Niederungen tunlichst zu vermeiden. Von der territorialen Grenzfunktion, die der Nutscheidstraße vor 1604 zwischen dem bergischen und dem homburgischen Herrschaftsbereich zukam, kündet die Richtstätte des bergischen Amtes Windeck am Galgenberg (Bodendenkmal). Der um 1545 erbaute Galgen war von beiden Territorien aus sichtbar, was der Abschreckung dienen sollte.

Beim Straßen- und Bahnbau im 19. Jahrhundert erhielten die Täler den Vorzug, die alte Nutscheidstraße büßte jegliche Bedeutung ein. Ab 1934 gab es kurzzeitig Überlegungen, die im Rahmen des Reichsautobahnnetzes geplante Verbindung Köln–Siegen–Kassel über den Nutscheidkamm zu führen. In den 1950er Jahren wurde die Idee wieder aus der Schublade geholt. Noch bis 1980 war das Projekt einer Schnellstraße durch das Nutscheid (B 478n) im Bedarfsplan für die Bundesfern­straßen enthalten. Es waren letztlich militärische Sicherheitsbedenken, die das einzigartige Waldgebiet vor einer Zerstörung bewahrten. Denn seit 1964 galt Waldbröl offiziell als Garnisonsstadt.

Bereits 1962 hatte im Nutscheid der Aufbau von Stellungen einer Flugabwehrraketeneinheit der Bundeswehr begonnen. Zwischen dem Unterkunftsbereich oberhalb von Büscherhof und der Radarstation am Hohen Wäldchen, der mit 378 m höchsten Erhebung des Nutscheids, wurde eine Straße angelegt. Nach dem Abzug der Bundeswehr wurde die Nutscheid-Kaserne 2011 abgerissen. Auf ihrem Areal entstand der Naturerlebnispark „Panarbora“. Betrieben vom Landesverband Rheinland des Deutschen Jugendherbergs­werkes, hat sich der im September 2015 eröffnete Park zu einem Publikumsmagneten entwickelt – ein Musterbeispiel für Konversion.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Gut Rottland

51588 Nümbrecht, DE

Die erste urkundliche Erwähnung von Rottland, der Name bezeichnet eine Rodungsstelle, fällt in das Jahr 1705. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war ein Bruder des Pfarrers und Schulgründers Wilhelm Hollenberg auf Rottland ansässig, das zu den größten Gütern im Waldbröler Gemeindegebiet zählte.

1925 kaufte der evangelische Kirchenkreis Köln den Hof mit der Absicht, hier ein Erholungsheim für Mütter einzurichten; das Gutshaus wurde 1928 durch einen Anbau im Fachwerkstil ergänzt. Die Heimnutzung blieb Episode, denn 1935 erwarb der NS-Politiker Robert Ley (1890–1945) das Anwesen. Im nahen Mildsiefen (heute Gem. Nümbrecht) in kleinbäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen, wollte sich der promovierte Nahrungsmittelchemiker nach steiler Parteikarriere in München und Berlin ein Standbein in der alten Heimat schaffen. Er plante, Gut Rottland zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb mit Windrad und Kläranlage auszubauen. Die Bauarbeiten nach Entwürfen des Architekten Clemens Klotz begannen 1936. Zuerst wurden die neuen Wirtschaftsgebäude errichtet. Das anstelle des 1938 abgerissenen Gutshauses erbaute „Herrenhaus“, eine massige Fach­werkkonstruktion auf Bruchsteinsockel, war 1941 bezugsfertig.

Leys zweite Frau beging hier Ende 1942 Selbstmord. Ein Gutsverwalter betreute den „Ley-Hof auf Rottland“ und die Außenwerke Segenborn und Loch. Am 8. April 1945, unmittelbar vor dem Einrücken der Amerikaner, ließ Robert Ley das Haupthaus in Brand stecken. Sechs Monate später nahm sich der fanatische Nationalsozialist im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis das Leben. Gut Rottland ist heute Privatbesitz. Aus der Zeit vor 1945 stammen u. a. die in Fachwerk ausgeführten Stallungen und Nebengebäude, die Toreinfahrt mit einer Sämann-Skulptur des Bildhauers Willy Meller – und die Fundamente der nicht vollendeten Windkraftanlage.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Bladersbach

Hermann-Draeger-Weg 2, 51545 Waldbröl, DE

Erstmals im Jahre 1316 erwähnt, zog Bladersbach lange Zeit großen Nutzen aus der Nähe zur Nutscheidstraße, der Hauptverbindung vom Bonner Raum ins Sieger- und Sauerland. Dank seiner günstigen Verkehrsposition entwickelte sich Bladersbach zu einer der bevölkerungsreichsten Ortschaften im Raum Waldbröl.

Noch 1837 zählte Bladersbach 56, der Kirch- und Kreisort Waldbröl nur 52 Häuser. Erst mit dem Straßen- und Bahnbau im Bröltal änderten sich die Größenverhältnisse zugunsten Waldbröls; die alte Nutscheidstraße fiel der Bedeutungslosigkeit anheim. Von der engen Verbindung zwischen dem Dorf und dem Nutscheid zeugt die Bladersbacher Waldnachbarschaft.

Solche Genossenschaften lassen sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Derzeit werden 50 ha Birken-Eichenwald von den 30 Mitgliedern der Nachbarschaft gemeinschaftlich als Niederwald bewirtschaftet. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg belieferte man die Waldbröler Gerbereien mit Eichenrinde (Lohe). Heute steht die Gewinnung von Brennholz im Mittelpunkt. Typisch für Bladersbach und seine Umgebung sind aber auch die Streuobstwiesen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde so manche Waldparzelle durch Obstanlagen ersetzt; es entstanden Obstbauvereine.

Besondere Verdienste um den Obstbau erwarb sich der Lehrer Hermann Draeger. Er wirkte ab 1891 drei Jahrzehnte an der 1826 gegründeten evangelischen Volksschule in Bladersbach. Sein Nachfolger, Gottfried Corbach (1898–1971), machte sich einen Namen als Autor einer Vielzahl lokalgeschichtlicher Abhandlungen, allen voran der 1973 postum erschienenen „Geschichte von Waldbröl“. 1966 wurde der Schulstandort Bladersbach aufgegeben. Die ehemalige Volksschule, 1855 aus Bruchsteinen errichtet, ist das älteste erhaltene Schul­gebäude im Waldbröler Stadtgebiet.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Isengarten und Eichen

Karl-Conrad-Weg 7, 51545 Waldbröl, DE

Der Name der Waldbröler Ortslage Isengarten rührt von einem im 19. Jahrhundert untergegangenen Ritter­sitz her. Von der einst bedeutsamen Wasserburg zeugen heute nur noch unscheinbare Reste: Ein Trümmer­podest in der Wiesenmulde westlich des Burgweges steht als Bodendenkmal unter Schutz.

An einen Vertreter des seit 1261 bezeugten Ritter­geschlechts von Isengarten erinnert der vom Burgweg weiter nach Norden führende Ritter-Simon-Weg. Der von diesem Weg abzweigende Quadtweg wiederum soll die Erinnerung an die Familie Quad wachhalten, die 1480 durch Heirat in den Besitz der Burg Isengarten gelangte. Als die Ortschaft Isengarten 1954 in den Ort Waldbröl eingegliedert wurde, zählte sie 34 Einwohner. Außer dem eigentlichen Gut Isengarten gab es nur wenige Häuser.

Lediglich am Isengartener Berg hatte Siedlungstätigkeit eingesetzt. 1958 erwarb das Land NRW nördlich des Sportplatzes Maibuche ein 50 ha großes Terrain, um ein Hauptdurchgangslager für Spätaussiedler und Flüchtlinge aus der DDR zu errichten. Die Gemeinde Waldbröl hatte bereits im und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Zahl von Flüchtlingen und Evakuierten (aus den kriegszerstörten Großstädten an Rhein und Ruhr) aufgenommen. 1947 belief sich der Anteil dieser beiden Personengruppen an der Einwohnerzahl auf 41 %. Bestehend aus 136 Woh­nungen in massiven Gebäuden, war das Waldbröler Übergangsheim Anfang 1959 bezugsbereit. Es bildete die erste Station für mehrere Tausend Über­­siedler aus der DDR, die von hier aus ihren Aufnahmeorten in NRW zugewiesen wurden. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 versiegte der Zustrom, so dass die Einrichtung im April 1962 zur Feriensied­lung umfunktioniert wurde – bis 1968 für finan­-ziell schwache Berliner Familien, danach für Bergarbeiterfamilien aus dem Ruhrgebiet. Nahe dem Birkenhof kam es 1969 zur Erschließung eines neuen Wohngebietes. Die Wohnblöcke waren für Arbeitskräfte bestimmt, die man für das im Aufbau befindliche Industriegebiet Boxberg anzuwerben gedachte. Damit schob sich die Siedlungsfläche immer näher an die Hofgruppe um den historischen Eichenhof heran.

Heute trägt der gesamte Bereich zwischen dem Sportplatz Maibuche und dem alten Eichen den Namen „Waldbröl-Eichen“. Prägend für den Stadtteil war der Zuzug von Deutschen aus der Sowjetunion bzw. ihren Nachfolgestaaten, der 1990–1996 seinen Höhepunkt erreichte.

Schon 1980 hatte man die Feriensiedlung, das ehe­malige Durchgangswohnheim, als Nebenstelle des Zentrallagers Unna-Massen wieder dem ursprünglichen Zweck zugeführt (bis Ende 1999). Waldbröl, Wohnort und Wirkungsstätte des damaligen Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung Horst Waffen­schmidt (1933–2002), war ein bevor­zugter Anlaufpunkt für Neubürger aus dem Osten. Etwa 3.000 Aussiedler ließen sich dauerhaft in Waldbröl nieder, viele von ihnen in Eichen. Ihrer Initiative sind das Gebetshaus der Baptisten am Lerchenweg und die Mennonitenkirche an der Köhlerstraße zu verdanken.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Diezenkausen

Sperberweg 2, 51545 Waldbröl, DE

Ein Markenzeichen der Stadt Waldbröl ist das kontrastreiche Miteinander des Hauptortes und der 64 eigenständigen Außenortschaften. Diezenkausen gehört zu denjenigen unter ihnen, die ihre historische Gestalt am besten bewahrt haben.

Der früheste Hinweis auf den Ort findet sich in einer Urkunde aus dem Jahr 1300, in welcher der Ritter Jakob von „Deycenhusen“ auftritt. Mitglieder des Geschlechts von Diezenkausen sind in den beiden folgenden Jahrhunderten noch mehrmals anzutreffen, beispielsweise als Burgleute auf der bergischen Burg Windeck. Wo genau der Stammsitz der Familie gelegen hat, ist nicht bekannt. Einigen Indizien zufolge könnte das Anwesen mit dem Eichener Hof identisch sein. Dieses Gut, Keimzelle des Stadtteils Eichen, wurde im 18. Jahrhundert auch als Hof Ober-Diezenkausen bezeichnet.

1757 erblickte hier Friedrich Carl Heimann, Großkaufmann und Mitbegründer der Kölner Handelskammer, das Licht der Welt. 1571 zählte Diezenkausen acht Häuser. Es hatte sich einer jener Weiler herausgebildet, die mit ihren locker gruppierten Fachwerkbauten dem Oberbergischen Land seinen eigentümlichen Charakter verleihen. In der Folgezeit wuchs Diezenkausen nur langsam; 1810 verzeichnete man 90, 1925 121 und 1964 156 Einwohner. Ein Vergleich mit der Urkatasteraufnahme von 1830 zeigt, dass sich Wegenetz und Parzellenstruktur seither nicht grundlegend verändert haben. 2008 wurde ein Denkmalbereich eingerichtet, der den Ort Diezenkausen und den alten Kern des Stadtteils Eichen umfasst.

In Diezenkausen sind noch gut 20 Fachwerkhäuser aus dem 18./19. Jahrhundert vorhanden; die Hälfte davon steht unter Denkmalschutz. Es handelt sich um zumeist zweigeschossige Gebäude auf Grauwacke- oder Backsteinsockeln; das schlichte Fachwerk ist schwarz oder rotbraun gehalten. Als erhaltenswert gelten auch die größtenteils aus dem 19. Jahrhundert datierenden Scheunen und Nebengebäude.

Texte: Dr. Albrecht Brendler

Sternwarte Schnörringen

Im Grünen Tal 1, 51545 Waldbröl, DE

In den Schriftquellen wird Schnörringen zuerst im 15. Jahrhundert genannt. Das Alter des Dorfes dürfte indessen deutlich höher sein: In der Schnörringer Flur „Auf‘m Ferkelshahn“ wurde ein Rennfeuerplatz entdeckt, der nach der C14- Datierung (Radiokarbonmethode) aus den Jahren zwischen 1040 und 1220 stammt, ein frühes Relikt der Eisengewinnung im Raum Waldbröl.

Die urkundliche Ersterwähnung von Schnörringen im Jahre 1467 verdanken wir einem Grenzumgang, der aus dem Territorialkonflikt zwischen dem Herzogtum Berg und der saynischen Herrschaft Homburg resultierte. Einen der Zankäpfel bildete der südliche Teil des heutigen Waldbröler Stadtgebietes, die jenseits der Nutscheidhöhen gelegenen „14 Höfe“. Dem Waldbröler Pfarrsprengel zugeordnet, hatten sie zunächst unangefochten im saynischen Machtbereich gelegen. Die bergischen Herzöge versuchten dann, die Grenzen des von ihnen beherrschten Rosbacher Hofbezirkes bis zum Nutscheidhöhenweg vorzuschieben. Mit dem Siegburger Vergleich von 1604, der den Übergang des Kirchspiels Waldbröl an Berg besiegelte, wurde der Streit um die 14 Höfe beigelegt. Ursprünglich ein Einzelhof, entwickelte sich Schnörringen durch Güterteilung zu einem zweigliedrigen Weiler, der 1571 zehn Häuser zählte. Der jahrhundertelangen Besitzzersplitterung setzte erst die Flurbereinigung ein Ende. Die 1962 eingeleitete Maßnahme zielte darauf ab, eine Vergrößerung der Vollerwerbshöfe durch Zukauf zu ermöglichen und damit langfristig bäuerliche Existenzen zu sichern.

Neben der Neuordnung des Grundbesitzes bescherte das Umlegungsverfahren der Katastergemeinde Schnörringen bis 1977 die Anlage von rund 20 km neuer Straßen und Wege. Eine unvermutete Besonderheit in dem rund 150 Einwohner zählenden Dorf ist das „Schnörringen Telescope Science Institute“ (STScI), ein Zentrum für astronomische Forschung. Es verfügt über eines der zehn größten Teleskope Deutschlands, das vom Wendelstein in den Bayerischen Alpen nach Waldbröl gelangte. Eine Schüler- und Ausbildungssternwarte befindet sich im Aufbau.

Texte: Dr. Albrecht Brendler