Weißenfelser Straße 65, 04229 Leipzig, DE
Das Stelzenhaus ist ein Industriedenkmal in Leipzig, welches 1937 bis 1939 vom Architekten Hermann Böttcher für die Wellblechfabrik Grohmann & Frosch erbaute wurde. Es zählt heute zu den bekanntesten Leipziger Industriebauten der 1930er Jahre.
Die am 18. Dezember 1888 von Wilhelm Frosch und Rudolph Grohmann gegründete Firma Grohmann & Frosch erbaute 1889 auf einem kleinen trichterförmigen Grundstück direkt am Karl-Heine-Kanal die ersten kleineren Produktionshallen für ein Wellblechwalzwerk und eine Verzinkerei. Das Grundstück hatte zwar einen privaten Gleisanschluss, jedoch keine Anbindung an die Straße. Um eine Zufahrt von der Weißenfelser Straße aus zu ermöglichen, erwarben Grohmann & Frosch zusätzlich noch das Restgrundstück an der Uferböschung des Kanals.
Etwa 1914 war das Betriebsgelände zu fast zwei Dritteln bebaut. Zur Gewinnung weiteren Baulands entschloss man sich zum Zukauf der Uferböschung. Um den Raum optimal auszunutzen, wurde vor dem Zweiten Weltkrieg ein Baukörper auf Stützen („Stelzen“) errichtet; nach ihnen erhielt das Gebäude später seinen Namen. Nach 1990 stand es leer. Nach umfassender Restaurierung konnte es am 15. Mai 2003 mit Ateliers, Wohnungen und einem Restaurant wieder eröffnet werden.
Da die Baugenehmigung nur unter Verzicht auf eine Böschungsmauer am Kanal und nur auf Widerruf erteilt wurde, musste der ursprüngliche Entwurf vom Architekten Hermann Böttcher überarbeitet werden. Als wesentlichste Veränderung stellte er eine Plattform samt Baukörper in der Art eines Pfahlbaus auf über 100 massive im Raster angeordnete Betonstützen, die hoch über die ansteigende Böschung und zum Teil ins Wasser hineinragen.
Die markante Erscheinung des Stelzenhauses, die es heute so sehenswert macht, resultiert u. a. aus den Forderungen des Luftschutzes zur Erbauungszeit. Die enormen Querschnitte der Betonpfeiler von 1 × 1 Meter rühren aus statischen Berechnungen, in die jeweils 1000 Kilogramm „für evtl. Trümmerlasten“ eingingen. Außerdem wurden unter der Fußbodensohle fensterlose Luftschutzräume für 90 Personen eingerichtet; sie sind bis heute gut zu erkennen. Der Raum zwischen den Betonpfeilern diente ebenfalls Luftschutzzwecken: „Durch die Ausführung des Plateaus über der Kanalböschung wird auch eine Zufluchtsmöglichkeit für solche Volksgenossen, welche nicht zu den Gefolgschaftsmitgliedern gehören, geschaffen.“
Beim Bau wurden Backstein und Beton in der Nachfolge der Klassischen Moderne auf eine rein funktionale Weise eingesetzt. Die Kanalfassade wurde als Schauseite gestaltet, an ihr lassen sich die Funktionen der Gebäudeteile gut ablesen. Die Betonstürze über den Fenstern sind in eisensparender Bauweise ausgeführt, so wie es die Durchführungsbestimmungen zum Vierjahresplan forderten. Die großen Fenster der Halle 1 sowie des Gleiskopfes ersetzten das fehlende Oberlicht.