Offenburg - Straßburg - durch unsichtbare Fäden verbunden

Stadtführung Hauptstraße 104, 77652 Offenburg, DE

Die Arbeitsgruppe Stadtteilrundgänge und die Gemeinwesenarbeit des Stadtteil- und Familienzentrums Oststadt laden Sie herzlich zum zweiten digitalen Stadtteilrundgang ein.

Autor: Stadtteil-und Familienzentrum Oststadt

11 Stationen

s Bähnle / der Entenköpfer

Hauptstraße 96, 77652 Offenburg, DE

„s Bähnle“ / der „Entenköpfer“ (Hauptstraße 87, Blickrichtung Norden)
1898 wurde das Überlandstreckennetz der „Straßburger Straßenbahngesellschaft“ bis nach Offenburg eröffnet. Bis zum Ersten Weltkrieg waren auf badischer Seite 94 km Bahnstrecke entstanden, die unter anderem dazu dienten, die „Elsässische Tabakmanufaktur“ im Straßburger Stadtteil Krutenau mit Tabakblättern und Arbeitskräften aus Baden zu versorgen. Nach 1919 verlagerte die „Elsässische Tabakmanufaktur“ einen Teil ihrer Produktion unter dem Namen „Rothändle“ nach Lahr.
Man konnte mit der elektrischen Straßenbahn von Straßburg nach Kehl fahren und dort an der Haltestelle „Kehler Straßenbahnhof“ in die dampfgetriebene Überlandbahn steigen, um via Sundheim, Marlen, Altenheim und Schutterwald nach Offenburg bis vor den Bahnhof zu gelangen.(Bild 2+3)
Im Ried als „Entenköpfer“ bezeichnet, war das Offenburger Bähnle bis 1957 prägend für das Stadtbild. Die letzten Gleise im Straßenpflaster vor der Hauptstrasse 87 (ehemals Wäschegeschäft Emil Neu, siehe Station 10) erinnern noch an diese Zeit der Dampflokromantik.

Der „Kartoffelmann“ Sir Francis Drake

Hauptstraße 75, 77652 Offenburg, DE

Der „Kartoffelmann“ Sir Francis Drake (Hauptstraße vor dem Rathaus, Blickrichtung Norden)
Der Straßburger Bildhauer Andreas Friedrich skulptierte den englischen Admiral Sir Francis Drake Mitte des 19. Jahrhunderts. Er stellte Drake als Seemann dar, dessen eine Hand ein Büschel Kartoffeln hält. Drake wurde die Einfuhr der Kartoffel von Amerika nach Europa zugeschrieben. Friedrich beabsichtigte, dieses Denkmal seiner Heimatstadt Straßburg zu schenken. Das Interesse an einem Denkmal eines englischen Marineoffiziers in einer französischen Stadt war knapp fünfzig Jahre nach der französischen Niederlage bei der Seeschlacht von Trafalgar gegen die englische Flotte nicht sehr groß.
Daraufhin bot Friedrich seine Statue der Stadt Offenburg an und im Juli 1853 fand die Einweihung vor dem Offenburger Rathaus statt. Der „Erdäpfelmann“ oder „Kartoffelmann“ erfreute sich in der Offenburger Bevölkerung großer Beliebtheit.
Im November 1939 wurde dieses Denkmal eines „feindlichen Engländers“ von Nationalsozialisten zerstört. Der Sonnenwirt Schimpf rettete unter anderem die Hände, die heute noch im Ritterhausmuseum betrachtet werden können.

Mikwe

Glaserstraße 6, 77652 Offenburg, DE

Mikwe (Glaserstraße 8)
Das in etwa 15 Metern Tiefe befindliche jüdische Ritualbad, vermutlich aus dem 12./13. Jahrhundert, erinnert an das Vorhandensein einer größeren jüdischen Gemeinde in den Mauern der alten Reichsstadt Offenburg. Zum Jahreswechsel 1348/1349 wurde die jüdische Gemeinde in Offenburg durch ein Pogrom im Zusammenhang mit der Pest ausgelöscht, angeblich durch kollektive Selbstverbrennung. Erst nach 1862 fand sich wieder eine gleichberechtigte jüdische Gemeinde in Offenburg. Bis in diese Zeit hieß die Gasse, die zur Mikwe führte, „Judengasse“, heute „Bäckergasse“.
In der ehemaligen Freien Reichsstadt Straßburg findet man unweit des Münsters in einer kleinen Seitengasse, der Rue des Charpentiers, eine ähnliche Mikwe, die an die ehemals große jüdische Gemeinde in Straßburg erinnert. Ihr Schicksal ähnelte dem der Offenburger Juden: am 14. Februar 1349 wurden in einem von den Zünften und Gilden inszenierten Pogrom alle Mitglieder der jüdischen Gemeinde in dem Bereich des heutigen Place de la Republique öffentlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Die wenigen überlebenden Juden wurden aus der Stadt verbannt und erst wieder nach 1681, nachdem Straßburg und das Elsaß unter französische Herrschaft gelangt waren, in Straßburg ansässig.

Franz Karl Bühler

Glaserstraße 10, 77652 Offenburg, DE

Franz Karl Bühler (Glaserstraße 7)
Franz Karl Bühler, 1864 in Offenburg geboren, war ein hochbegabter und kreativer Kunstschlosser, dessen berufliche Karriere in der väterlichen Werkstatt in der Glaserstraße 7 begann. Nach einer Medaille für Kunstschlosserei auf der Weltausstellung 1893 in Chicago folgte seine Berufung als Lehrer für Kunstschlosserei an die Kunsthandwerkerschule in Straßburg im Stadtviertel Krutenau (heute École des arts décoratifs, deren Fassade die florale Ornamentik des „Jugendstils“ aufzeigt). Nach nur drei Jahren Lehrtätigkeit wurde Bühler in Straßburg gekündigt. Starker Verfolgungswahn brachte Bühler schließlich 1898 erst nach Achern in die Illenau und anschließend in die Heilanstalt nach Emmendingen. 1940 wurde er im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nazis in Grafeneck ermordet.
Seine Arbeiten, durchsetzt von floralen Ornamenten, finden sich unter anderem in Offenburg als Balkongeländer in der Hauptstrasse oder als Kruzifix der Familie Henselmann auf dem Waldbachfriedhof wieder.

Gänseleberpastetenfabrik Alt-Straßburg

Wilhelmstraße 8A, 77654 Offenburg, DE

Gänseleberpastetenfabrik Alt-Straßburg (Wilhelmstraße 8) (Blickrichtung Nordost)
In dem ehemaligen Gebäude des Bezirkskommandos mit Kaserne, das hier von 1877 bis 1898 untergebracht war, zog nach dem Ersten Weltkrieg und der damit verbundenen Entmilitarisierung aus Straßburg kommend die Gänseleberpastetenfabrik Alt-Straßburg, die dort bis in die sechziger Jahre ihre Geschäftsräume hatte.

Johannes Knauth

Friedenstraße 31, 77654 Offenburg, DE

Johannes Knauth (Alter Friedhof, Gräberfeld 11)
Johannes Knauth, Architekt aus Köln, trat 1891 in den Dienst der Straßburger Münsterbauhütte, deren Dombaumeister er von 1905 bis 1921 war. Er entdeckte Setzrisse in tragenden Pfeilern unter dem 142 Meter hohen Turm. Der sinkende Grundwasserspiegel, hervorgerufen durch die Begradigung des Rheins durch Tulla in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hatte das Eichenpfeilerfundament freigelegt, wodurch diese mit Fäulnis befallen wurden. Der Turm drohte einzustürzen, woraufhin Knauth mit Hilfe von hydraulischen Pressen und Flüssigbeton die Rettung des Turmes ab 1906 einleitete. Die Arbeiten wurden 1926 erfolgreich abgeschlossen. Aber Knauth erlebte diesen Triumph nicht mehr.
Nach 1919 weigerte er sich, verbittert durch den Tod beider Söhne im Ersten Weltkrieg, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, die ihm durch die Heirat mit einer Französin möglich gewesen wäre.
1921 wurde er aus Straßburg ausgewiesen, zog nach Gengenbach, wo er 1924 verarmt und verbittert starb. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Offenburger Waldbachfriedhof.

Borofsky-Statue „Freiheit“

Brachfeldstraße 18, 77654 Offenburg, DE

Borofsky-Statue „Freiheit“ (Platz der Verfassungsfreunde)
1994 wurde in Straßburg zur Eröffnung der neuen Straßenbahnlinie an der Haltestelle „Les Halles/Ancienne Synagogue“ die 25 Meter hohe Skulptur „Die Himmelsstürmerin“ von Jonathan Borofsky als Pendant zu dem „Himmelsstürmer“ in Kassel der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Dezember 2000 wurde auf dem Offenburger „Platz der Verfassungsfreunde“ die 20 Meter hohe Statue „Freiheit-Männlich/Weiblich“ von Jonathan Borofsky eingeweiht. Sie zeigt die Silhouetten eines Mannes und einer Frau, die zu einer Person zu verschmelzen scheinen. Auch hier ein Sinnbild für die Weiblichkeit und Männlichkeit, die jedem Menschen innewohnt.

Vivil

Moltkestraße 33A, 77654 Offenburg, DE

Vivil (Moltkestraße 33)
1903 gründete August Müller die Zuckerwarenfabrik „A. Müller & Co.“ im damals deutschen Straßburg. (Bild 1, ca. 1960)
Bis zum Ersten Weltkrieg expandierte das Unternehmen unter dem Namen seiner französischen Ehefrau „Vivil“ bis nach Amerika. Nachdem Straßburg 1919 wieder französisch geworden war fand August Müller auf dem ehemaligen Kasernengelände in der Moltkestrasse 33 einen neuen Firmenstandort.
Bild 2 zeigt eine Vivil-Werbung von 1940.

Elsässer-Vertriebenen Häuser

Philosophenweg 7, 77654 Offenburg, DE

Elsässer-Vertriebenen Häuser (Philosophenweg)
Nach 1919 mussten zahlreiche deutsche Staatsbürger das ehemalige Reichsland Elsaß-Lothringen verlassen.
Im Philosophenweg entstanden für diese Menschen zehn Reihenhäuser. Eigentümer war die „Neue Heimat vertriebener Elsaß-Lothringer“. Im Hinterhof der Häuser wurden Waschhäuser erbaut und Gärten zur Selbstversorgung angelegt.

Emil Neu

Ortenberger Straße 19, 77654 Offenburg, DE

Emil Neu (Ortenbergerstraße 46) (Bild 1)
Emil Neu, 1874 als Sohn eines jüdischen Gemeindeschreibers in der Pfalz geboren, zog es 1906 in das damals deutsche Straßburg. Er gründete dort eine Wäschefabrik und eröffnete unweit des Kleberplatzes in der Marktgasse (heute Rue du Marché) ein Wäschegeschäft. (Bild 2)
Nachdem Straßburg wieder französisch geworden war zog Emil Neu 1919 nach Offenburg, zunächst in die Hauptstraße 55, und eröffnete eine Textilgroßhandlung in der Hauptstraße 85 (Bild 3) sowie eine Wäschefabrik. Letztere war bis in die dreißiger Jahre in der Wasserstraße 4 untergebracht. Im selben Jahr 1919 zog Emil Neu in die Ortenberger Straße 46.
In den folgenden Jahren wurde Emil Neu Vorsteher der jüdischen Gemeinde, zog 1931 in die Augustastraße 3 (In diesem Haus befand sich zu dieser Zeit das jüdische Café Bloch), 1937 in die Wasserstraße und kurz darauf im selben Jahr in die Weingartenstraße 19.(Bild 4)
Obwohl er in Folge der Reichspogromnacht 1938 sein Geschäft aufgeben musste, blieb er noch bis 1940 in Offenburg.
Im Oktober 1940 wurden er und seine Frau nach Gurs deportiert, konnten aber in der Folgezeit mit Hilfe ihres Sohnes in die Schweiz fliehen, wo Emil Neu am Heiligabend 1944 starb.

Pläne von Offenburg und Straßburg

Die Bilder zeigen Pläne der beiden Reichstädte Offenburg und Straßburg.
Bild 1 zeigt Offenburg im Jahre 1698.
Bild 2 zeigt Straßburg im Jahre 1765.
Bild 3 zeigt eine auf der Grundlage von Bild 2 erstellten Rekunstruktionsskizze von 1939.


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