Die 1920er-Jahre sind aktuell in vielen Filmen vertreten, das prägt unsere Vorstellung über das Leben in dieser Zeit. Doch wie sah der Alltag in einer Kleinstadt wie Sindelfingen aus? Wo gingen die Menschen z.B. einkaufen? Dieser Frage widmen wir uns auf diesem Rundgang und zeigen Ihnen Sindelfingen und die Zwanzigerjahre in einem neuen Licht.
Autor: Stadtmuseum Sindelfingen

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Mittleres Rathaus
Marktplatz 1, 71063 Sindelfingen, DE
Das heutige Mittlere Rathaus aus dem Jahre 1845 war in den Zwanzigerjahren noch das „Neue“ Rathaus.
Bereits seit 1895 war Wilhelm Hörmann Stadtschultheiß (1930 erfolgte in Württemberg die Umbenennung des Amtes in Bürgermeister) und er blieb es auch die ganzen Zwanzigerjahren hindurch bis 1932. Sein Handeln orientierte sich an einer soziale Grundhaltung und sein Streben zur Verbesserung der Stadt.
Eine besondere Herausforderung stellte der Wohnungsmangel nach dem Ersten Weltkrieg dar. Auf Initiative von Wilhelm Hörmann hin wurde 1919 der Bau- und Sparverein (Baugenossenschaft) gegründet und es wurden in den Zwanzigerjahren die Schnödenecksiedlung und weitere Siedlungen gebaut.
Auf stadtpolitischer Ebene bewirkte die Revolution von 1918 einer Erweiterung und Neuordnung des Gemeinderates. Obwohl ab 1919 auch Frauen das aktive und passive Wahlrecht hatten, errang in den Zwanzigerjahren keine Frau einen Sitz im Gemeinderat.
Die Vielfalt der Weimarer Parteienlandschaft spiegelte sich auch in Sindelfingen wider. Die linksliberale DDP (Deutsche Demokratische Partei), der auch Bürgermeister Hörmann nahestand, schnitt dabei im Vergleich zum Reich in Sindelfingen besser ab. Dasselbe galt für die sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien, deren Wähler vor allem der Arbeiterschaft angehörten und von denen viele bei der Firma Daimler beschäftigt waren. Die katholische Zentrumspartei, die Nationalsozialisten und andere rechte Parteien hingegen bekamen in Sindelfingen lange Zeit kaum Stimmen.
Städtischer Saalbau
Rathausplatz 6, 71063 Sindelfingen, DE
Der Städtische Saalbau wurde am 21. November 1925 eingeweiht und stand bis 1963 an der Stelle der heutigen Stadtbibliothek.
Der Saal wurde dabei von Vereinen und für die verschiedensten Veranstaltungen genutzt. So fanden dort z.B. nicht nur 1928 die Landesgeflügelausstellung statt, sondern auch das Vereinsjubiläum des Arbeitergesangvereins „Vorwärts“ 1930.
In den 20er-Jahren wurde in Sindelfingen durch den Zuzug von Familien aus katholischen Gebieten auch die Fastnacht populär. Besonders der Liederkranz und der Gesangverein „Vorwärts“ fielen mit ihren großen Kostümbällen auf. Diese hatten teils spezielle Themen, wie z.B. „Ein internationaler Gesangswettstreit in Kalkutta 1928“, „Eine Nacht auf dem Monde“ oder „Völkerschau auf dem Münchner Oktoberfest“. Das Ausmaß der Feierlichkeiten hing hierbei jedoch auch immer von der wirtschaftlichen Situation und Feierverboten des Innenministeriums ab.
Altes Krankenhaus
Rathausplatz 1, 71063 Sindelfingen, DE
An der Stelle, an der sich heute das Neue Rathaus befindet, stand bis 1966 das alte Krankenhaus.
Im September 1923 wurde das dringend benötigte allgemeine Krankenhaus eröffnet. Es umfasste auch eine Geburtsklinik und ein kleines Altenheim. Der Stadtarzt Dr. Alexander Gußmann wurde der Leiter der Klinik. Mit dem Namen „Wilhelminenheim“ bedankte man sich für die großzügigen Spenden von Minna Moscherosch-Schmidt. Diese war als gebürtige Sindelfingerin in den USA mit einem eigenen Kostümgeschäft finanziell erfolgreich geworden und unterstützte ihre Heimatstadt immer wieder finanziell.
Noch in den Zwanzigerjahren wurde das Krankenhaus mehrfach erweitert. 1938 wurde die Geburtsklinik unter dem Namen Wilhelminenheim dann in die ehemalige Villa Wittmann verlegt.
Handwerkerbank Sindelfingen
Gartenstraße 1, 71063 Sindelfingen, DE
Die Handwerkerbank Sindelfingen existierte bereits seit 1863. Dieses Gebäude wurde 1910 als neue Bank erbaut und war 1932 Ort eines wahren Finanzskandals, der schließlich vor Gericht endete:
Es wurde aufgedeckt, dass der Vorsitzende der Bank, Ludwig Müller, zwischen 1929 und 1932 dubiose Kredite in Höhe von 330.000 Mark am Aufsichtsrat vorbei vergeben hatte. Unter diesen Kreditnehmern befand sich auch der Möbelfabrikant Brenner aus Magstadt, der Teile des 268.000 Mark Kredits etwa in ein Wiesbadener Mietshaus investierte. Diese Kredite tauchten dabei nicht in den Büchern auf. An anderer Stelle soll es durch das Hinzufügen von fiktiven Bankbeträgen in Höhe von 100.000 Mark ebenfalls zu Bilanzfälschungen gekommen sein.
Mit angeklagt war Luise Müller, die Schwester des Bankdirektors, die ebenfalls bei der Bank arbeitete, und der Buchalter Dinkelacker, die beide aber freigesprochen wurden. Ludwig Müller wurde zu einer Geldstrafe und einem Jahr Gefängnis verurteilt, von dem er aber bereits 10 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte.
An der anschließenden Sanierung war auch Fritz Summ beteiligt. 1936 wurde die Handwerkerbank erst in Sindelfinger Bank und 1941 in Volksbank Sindelfingen umbenannt.
Kaffee Müller
Bahnhofstraße 10, 71063 Sindelfingen, DE
Das Kaffee Müller war in den Zwanzigerjahren mehr als nur ein reines Café: Hier befand sich ab 1925 unter der Bezeichnung „Lichtspieltheater“ das Kino der Stadt.
1926 übernahm der Besitzer der Böblinger „Bären-Lichtspiele“ Otto Bauer das Kino und benannte es in „Kammerlichtspiele Sindelfingen“ um. Gezeigt wurde das aktuelle Stummfilmprogramm, das von Musikern begleitet und durch unterhaltsame Kurzfilme ergänzt wurde. Nachdem ab Mai 1930 in Böblingen bereits Tonfilme gezeigt werden konnten, erhielt auch Sindelfingen 1931 eine Tonfilmanlage.
Apollo-Schuhfabrik Heinrich Dinkelacker
Rathausplatz 5, 71063 Sindelfingen, DE
1879 gründete der Schuhmacher Heinrich Dinkelacker die Apollo-Schuhfabrik. Nach der Übergabe der Firma an seine Söhne Otto und Eugen entstand zwischen 1912 und 1914 ein modernes Fabrikgebäude. Während Otto kaufmännisch begabt war hatte Eugen ein breites fachliches Wissen. Nach dem Tod Eugens 1937 führte Otto den Betrieb alleine weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem auch die Fabrik getroffen worden war, wurde die Arbeit 1946 wieder aufgenommen.
Als getrennte Marken existieren Heinrich Dinkelacker und Appolo-Schuhe bis heute, die beide hochwertige Herrenschuhe produzieren.
Buchhandlung Röhm
Planiestraße 2, 71063 Sindelfingen, DE
Die Buchhandlung Röhm, die auch heute noch als Röhm Buch und Büro GmbH existiert, wurde 1890 gegründet. Neben Büchern wurden und werden hier jedoch auch Schreib- und Bürowaren sowie Lederartikel verkauft. Gleichzeitig gehörte zur Buchhandlung eine Druckerei und ein Verlag, der seit 1890 die Sindelfinger Zeitung (SZ) veröffentlichte. In einer Zeit mit nur wenigen Radios und ohne Fernsehen kam der SZ die Rolle als wichtigstes lokales Informationsmedium zu. Die historischen Ausgaben der SZ bilden auch heute noch eine der wichtigsten Quellen für die Sindelfinger Geschichtsforschung und damit auch für unser Wissen über Sindelfingen in den Zwanzigerjahren.
Adolf Firnrohr
Untere Vorstadt 2, 71063 Sindelfingen, DE
Das Uhrengeschäft Adolf Firnrohr, das heute noch in Familienbesitz ist, existierte bereits in den 1880er Jahren.
In den Zwanzigerjahren wurde es vom Sohn des Gründers, der ebenfalls Adolf hieß, fortgeführt. Neben Uhren zählten damals schon Schmuck und sonstige Metallwaren sowie kleinere elektrische Geräte zum Warenangebot. An Weihnachten kamen Kerzen, Spielzeug, Puppenzimmer- und Weihnachtsbeleuchtungen hinzu. Adolf Firnrohr war der erste Geschäftsmann in Sindelfingen, der "Radio-Artikel" in sein Sortiment aufnahm. Darüber hinaus fertigte er Brillen an und verkaufte auch andere "optische Artikel" wie etwa Ferngläser.
Christian Frohnmaier
Untere Vorstadt 15, 71063 Sindelfingen, DE
Zu den wahrscheinlich kuriosesten Geschäften der Zwischenkriegszeit in Sindelfingen dürfte wohl der Laden des Christian Frohnmaier gezählt haben. Offiziell ist er im Adressbuch von 1927 als Sattler, Tapezierer und Lederwarenhändler eingetragen. In Werbeanzeigen firmierte er aber auch als Möbel- und Matratzengeschäft und verkaufte neben Wollwaren auch Kinderwägen.
Dieses breite Betätigungsfeld könnte hierbei auch ein Hinweis auf die starke Konkurrenz in einzelnen Berufen sein. In Sindelfingen gab es 1927 etwa noch drei andere Sattler und Tapezierer. Auch gab es acht Metzger und ganze 28 Läden für Kolonialwaren und Spezereien (Gewürze etc.). 1937 ging der Laden an seinen Sohn Erwin Frohnmaier über.
Heinrich Schuhmacher und Karoline Müller
Lange Straße 2, 71063 Sindelfingen, DE
Direkt gegenüber dem Gasthaus zum Schwarzen Adler befand sich das namhafte Aussteuergeschäft von Heinrich Schuhmacher, in dem Textilien, Kleidung und Wollwaren verkauft wurden.
Im Haus rechts neben Heinrich Schuhmacher (Untere Vorstadt 12) bot Karoline Müller in ihrem Laden Damenkleidung, Hüte und Accessoires an. Hier konnten auch Damenhüte umgearbeitet und der neuesten Mode angepasst werden. Karoline Müller kürzte dabei in Zeitungsanzeigen stets ihren Namen als K. Müller ab. Zwar waren solche Abkürzungen normal, könnten aber in ihren Fall auch dazu gedient haben, nicht sofort als Frau identifiziert zu werden.
Gasthaus zum Schwarzer Adler
Lange Straße 1, 71063 Sindelfingen, DE
In diesem Haus am Wettbachplatz befand sich in den Zwanzigerjahren das bekannteste Gasthaus der Stadt: der Schwarze Adler.
Im großen Adlersaal im ersten Stock fanden Tanzveranstaltungen statt und im August 1925 wurde hier wahrscheinlich zum ersten Mal in Sindelfingen „Jatz-Musik“ gespielt. Auch hatte das Gasthaus das erste öffentliche Radio im Ort. Hier beging man die großen Jahrgangsfeiern, die in Sindelfingen eine besondere Tradition haben. Auch für Hochzeiten und andere Familienfeiern war es sehr beliebt.
Im Schwarzen Adler wurden zudem politischen Versammlungen abgehalten. Am 25. April 1931 kam es auf der Straße vor dem Gasthaus nach einer Veranstaltung der NSDAP zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Anschließend verhaftete die Polizei jedoch nur Sozialisten. Die Zeit des Nationalsozialismus warf so auch in Sindelfingen ihren Schatten voraus.
Hugo Zeile
Adelbortenstraße 18, 71063 Sindelfingen, DE
Charakteristisch für die Zwanzigerjahren ist das Nachwirken der Lebensreformbewegung. Diese war im späten 19. Jahrhundert aufgekommen und verstand sich unter dem Motto "Zurück zur Natur" als Gegenbewegung zur Industrialisierung und Moderne. So gab es auch in Sindelfingen Naturheilpraktiker, unter anderem Hugo Zeile. Der gelernte Kaufmann eröffnete in diesem Haus 1920 eine Praxis. Zuvor hatten hier seine Mutter Pauline Zeile und seine gleichnamige Schwester medizinische Bäder und Heilgymnastik angeboten.
Zu Zeiles Heilmethoden gehörte die Homöopathie, elektrische und magnetische Behandlungen, aber auch Hypnose.
Ab 1931 leitete er zusammen mit Pauline (wahrscheinlich seiner Schwester) das „Lehrinstitut Eos“. Anfang 1939 gab Zeile die Homöopathie auf und erteilte fortan Unterricht in Kurz- und Maschinenschrift.
Spar- und Konsumverein Böblingen und Umgebung e.G.m.b.H
Lange Straße 14, 71063 Sindelfingen, DE
Genossenschaftlich organisierte Konsumvereine kamen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland auf und versuchten die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft zu verbessern. Der Verein ging dafür in den Großeinkauf, um den Mitgliedern ein möglichst billiges Warenangebot zu machen. Da der Einzelhandel, der auf diesem Weg umgangen wurde, jedoch teilweise Druck auf die Großhändler ausübte, begannen die Konsumvereine auch selbst zu produzieren. In der Sindelfinger Zeitung wird z.B. immer wieder auf die eigene Bäckerei verwiesen.
Am 11. Februar 1921 fand die Gründungsversammlung für den Sindelfinger Konsumverein statt, der sich bald dem Spar- und Konsumverein Böblingen anschloss. 1921 waren bereits 300 Familien Vereinsmitglieder und man eröffnete in der Langen Straße 14 eine erste „Verteilungsstelle". Ab 1923 gab es eine weitere Filiale in der Siedlung Schnödeneck und spätestens ab 1925 eine in der Siedlung Zimmerplatz. Insgesamt besaß der Verein 10 „Verteilungsstellen“ in der Böblinger Umgebung, eine eigene Weinkellerei und Bäckerei sowie eine Sparkasse.
Der Laden wurde von den Nationalsozialisten aufgelöst, jedoch nach dem Krieg wiedereröffnet und bestand bis 1960.
Parteilokal KPD
Lange Straße 22, 71063 Sindelfingen, DE
In diesem Haus hatte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in den Zwanzigerjahren ihr Parteilokal. Dieses beherbergte ab März 1931 eine eigene Bibliothek. Im August 1931 fand zudem eine Ausstellung über Bücher links gerichteter Verlage statt. Eine rote Fahne aus Sowjetrussland, der ganze Stolz der Sindelfinger Ortsgruppe der Kommunistischen Partei, war dort ausgestellt.
Die Kirche scheint die Aktivitäten in der Langen Straße 22 dagegen misstrauisch beobachtet zu haben. 1932 wird im Pfarrbericht vermerkt, dass dort auch Bücher der „Gottlosenbewegung“ (d.h. der Atheisten) verkauft und im Frühjahr desselben Jahres ein Büro für Kirchenaustritte eröffnet worden war.
Radiohaus Summ
Lange Straße 38, 71063 Sindelfingen, DE
In diesem Haus eröffnete 1928 das erste Fachgeschäft für Radios in Sindelfingen.
Friedrich/Fritz Summ hatte schon mit Adolf Firnrohr bei den Pfadfindern Antennen gebastelt. Dieser verkaufte in seinem Geschäft bereits 1924 Radiozubehör. Summ jedoch gelang es, in der Stadt den rasch expandierenden Markt für die neuen Geräte zu dominieren. Eine bedeutende Rolle spielte auch Friedrichs Frau, Emma Summ (geb. Hornikel), die das Geschäft leitete und als Besitzerin bei der Gewerbesteuer eingetragen war, während ihr Mann sich eher um die technischen Details kümmerte.
Wie groß der Markt für Radiogeräte und -zubehör war, zeigt sich dadurch, dass deutschlandweit die Zahl der Hörer von ca. 280.000 im Jahre 1924 auf 2,8 Millionen im Jahre 1929 anstieg. Friedrich Summ reparierte und entwickelte selbst neue Modelle, so z.B. im Auftrag von Daimler-Benz 1930 ein Autoradio für einen Bus.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs betrieb Friedrich Summ den Laden nur nebenberuflich und arbeitete als Fachmann für Finanzen bei verschiedenen Banken. So half er auch 1932 bei der Sanierung der Handwerkerbank Sindelfingen. Später war Summ 30 Jahre lang Vorsitzender des Gewerbe- und Handelsvereins Sindelfingen, war Gründungsmitglied der Freien Wählervereinigung, saß im Gemeinderat und war stellvertretender Bürgermeister.
Das Radiohaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Erlaubnis des Landrats als eines der ersten Geschäfte wiedereröffnet und existierte noch bis 1961.
"Drei Mohren" und die Lange Straße
Lange Straße 25, 71063 Sindelfingen, DE
Bereits seit 1884 hat es im Haus Lange Straße 25 wohl eine Metzgerei mit zugehörigem Lokal gegeben. Ab 1900 tauchte dann auch der Name „Drei Mohren“ auf. 1920 übernahm Wilhelm Franz den Betrieb und modernisiert das Haus mit Elementen des Historismus und Jugendstils.
Heute befindet sich hier ein gehobenes türkisches Restaurant.
Insgesamt war die Lange Straße eine wichtige Einkaufsstraße Sindelfingens in den Zwanzigerjahren. Vom Gasthaus Schwarzer Adler bis zum Ende der Straße gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäfte: eine Buchhandlung, zwei Kolonialwarenläden, einen Korbmacher, zwei Metzgereien, eine Mosterei, eine Näherin, zwei Wirtschaften und noch vieles mehr.
Adolf Hagenlocher
Corbeil-Essonnes-Platz 9, 71063 Sindelfingen, DE
Das Geschäft von Adolf Hagenlocher befand sich neben dem heutigen Schwätzweiberbrunnen.
Bis 1919 stand auf dem Brunnen (wie auch auf dem Foto zu sehen) eine Statue Herzog Eberhardts III., die jedoch aufgrund ihres schlechten Zustandes heruntergenommen und 1927 durch die heutige Skulptur „Das Geheimnis“ des Künstlers Josef Zeitlers ersetzt wurde.
Adolf Hagenlocher schaltete häufig Anzeigen in der Sindelfinger Zeitung und warb für ein breites Angebot an Haushaltswaren. Dieses reichte von Kaffeeservicen und Kohleherden über Kleiderbügel und Rasierapparate bis hin zu Mausefallen. Hagenlocher war dabei Mitglied des Großeinkaufverbands „Nürnberger Bund“. Der Werbespruch des Bundes lauetete: „Soll es für den Haushalt sein / Präge dir dieses Zeichen ein!“.
Anna und Otto Steinle
Hirsauer Straße 17, 71063 Sindelfingen, DE
Zu den wenigen Frauen, die während der Zwanzigerjahre in Sindelfingen Werbeanzeigen schalteten, gehörte Anna Steinle (geb. Nissler). Sie arbeitete als Schneidermeisterin und beschäftige in ihrer Näherei, die sich im Wohnzimmer der Steinles befand und bis 1957 bestand, mehrere Frauen.
Anna Steinles Ehemann, mit dem sie manchmal auch zusammen Anzeigen schaltete, war Otto Steinle. Dieser stammte ursprünglich aus Ebhausen und war 1918 nach Sindelfingen gekommen, um bei Daimler als Schreiner zu arbeiten. Hierzu muss man wissen, dass nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Daimler aufgrund des Verbots der Flugzeugfertigung zeitweise Möbel produzierte. Auch die ab 1919 dort produzierten Autokarosserien bestanden damals noch aus Holz. Doch bereits 1925 machte Otto Steinle sich selbstständig und gründete in diesem Haus in der Brunnenstraße (inzwischen Hirsauer Straße) eine mechanische Holzbearbeitungswerkstätte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb als Innenausbau-, Bau- und Möbelschreinerei neu gegründet und existiert bis heute in Familienbesitz.
Abseits der Arbeit engagierte Otto Steinle sich auch im Sindelfinger Liederkranz, in dem er 50 Jahre lang mitwirkte.
Gasthof zum Hirsch
Ziegelstraße 32, 71063 Sindelfingen, DE
Der Gasthof zum Hirsch war einer der wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkte in den Zwanzigerjahren.
Hier tagten zahlreiche Vereine. Dazu zählten z.B. der Liederkranz, der Schwarzwaldverein, der Militärverein und der Verein für Feuerbestattung. Der Wirt August Seeger war selbst Vorstand des Turnvereins und Gründungsmitglied der Sindelfinger Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins. Insgesamt war das Vereinswesen in den Zwanzigerjahren um ein Vielfaches (bezogen auf die Einwohnerzahl) aktiver und größer als heute.
1928 verkaufte der Wirt August Seeger den Gasthof an Gottlieb Weimer. Dieser bewarb fortan nicht nur das Haus mit seinen Fremdenzimmern „für bürgerl. Ansprüche“, sondern auch erstmals „Auto Garagen“. Weimer blieb Wirt des Gasthofes bis 1935.
Martinskirche
Corbeil-Essonnes-Platz 6, 71063 Sindelfingen, DE
Nachdem sie bereits 1920 eine neue Orgel erhalten hatte, wurde die altehrwürdige Martinskirche im Herbst 1925 umfassend saniert. Rinnen wurden neu gestrichen und die Dächer der Seitenschiffe neu gedeckt. Auch der Außenputz wurde auf Anraten des Landesdenkmalamtes entfernt, um den Urzustand mit den sichtbaren Steinquadern wiederherzustellen.
Doch während das Kirchgebäude, wie die Sindelfinger Zeitung schrieb, verjüngt wurde, kämpfte die evangelische Kirche als Institution in den Zwanzigerjahren um ihre bisherige Vormachtstellung. Durch die Industrialisierung und den damit verbundenen Zuzug von Arbeitern kamen andere religiöse Gruppen wie Katholiken, aber auch verschiedene Freikirchen und Sekten nach Sindelfingen. Manche Mitglieder der evangelischen Kirche traten aus und stattdessen in die Neuapostolische Kirche ein, während sich zahlreiche sozialistisch gesinnte Arbeiter ganz von der Religion abwandten. Zudem gab es in der ganzen Weimarer Republik eine letztendlich jedoch folgenlose Diskussion, ob die nach Konfessionen getrennten Schulen abgeschafft werden sollten.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kirche inaktiv war. So gab es in den Zwanzigerjahren verschiedene christliche Jugendorganisationen, eine protestantisch-konservative Partei und den Evangelischen Volksbund, der zum Ziel hatte, die evangelische Kirche auch in der Moderne zu verankern.
Kaufhaus Hörmann
Ziegelstraße 17, 71063 Sindelfingen, DE
Das Kaufhaus Wilhelm Hörmann existierte bereits seit 1868. In den Zwanzigerjahren wurde es von Luise Hörmann (geb. Dinkelacker) betrieben. Nachdem Tod ihres Mannes Ernst Hörmann 1909 mit nur 36 Jahren führte sie das Geschäft alleine und erwirtschaftete den Unterhalt für sich und ihre sechs kleinen Kinder. 1948 übernahm der Sohn Hugo zusammen mit seiner Frau Klara (geb. Kaufmann) den Laden. Zum Angebot zählten Stoffe, Wollwaren, Haushaltstextilien, Damen-, Herren- und und Kinderkleidung.
Luise Hörmann war die Schwägerin des Bürgermeisters Wilhelm Hörmann.
Café Krautter
Ziegelstraße 21, 71063 Sindelfingen, DE
Das Café und die Konditorei Krautter wurde während der Zwanzigerjahre von Rudolf Krautter und ab 1928 von seinem gleichnamigen Sohn und dessen Frau Gertrud geführt.
In der Sindelfinger Zeitung wurde dabei neben den Back- und Süßwaren besonders die eigene Eierteigwarenmarke „Rukra“ (Ru-(dolf) Kra-(utter)) beworben, während um die Weihnachtszeit die große Zahl an Anzeigen für das reichhaltige Spirituosensortiment des Café Krautter auffällt. Zu verschiedenen Anlässen organisierten die Besitzer Musikveranstaltungen und zu Fastnacht sogar Familienfeiern und Hausbälle in den Räumen des Cafés.
Während des Zweiten Weltkrieges gelang es Gertrud Krautter, den Laden alleine weiterzuführen.
Pfannkuch
Ziegelstraße 29, 71063 Sindelfingen, DE
Ursprünglich 1896 in Pforzheim von Friedrich Pfannkuch gegründet, machte Walter Heymann ab 1904 aus dem Pfannkuch-Laden eine der ersten Lebensmittelketten im deutschen Südwesten.
Auch in Sindelfingen wurde im Juli 1927 eine Filiale gegründet. Doch nicht mal ein Jahr später, im Juni 1928, scheint es zum Zerwürfnis mit dem Betreiber Eugen Sproll gekommen zu sein, so dass dieser die ehemalige Filiale in der Ziegelstraße 29 als unabhängiges Geschäft weiterbetrieb, während Pfannkuch einen neuen Laden in der Planie 14 eröffnete.
Nach einer turbulenten Firmengeschichte und vielen Auf und Abs wurde die Pfannkuch GmbH Co. Supermarkt KG 1995 aufgekauft.