Ort: Albertinum, damals das Zeughaus und Ort der ersten Auseinandersetzungen am 3. Mai 1848
Person: Pauline Wunderlich
Quelle: Ein Ausschnitt aus der "Frauen-Zeitung" vom 2. Juni 1849 hier ist eine Novellette "Pauline" veröffentlicht
Hier am Albertinum befindet sich eine von drei Gedenktafeln für die Ereignisse der Maiaufstände 1849 in Dresden. Diese fanden vom 3. bis zum 9. Mai 1849 statt. Auf der Karte hatten wir bereits die eingezeichneten Barrikaden gesehen, an denen die revolutionäre Bürgen, welche sich für demokratische Freiheiten und eine nationale Einheit Deutschlands einsetzten, gegen die königlich-sächsischen Truppen sowie preußische Verstärkungen kämpften.
Sieht man sich das Bild der Barrikade in Wien an sticht etwas deutlich heraus: Zwei Frauen, die an den Aufständen beteiligt sind. Auch für Dresden gibt es zwei Zeichnungen auf denen Frauen auf den Barrikaden gezeigt werden.
Wir finden an diesem Ort somit einen passenden Rahmen, um über die mutigen Frauen der Revolution von 1848/49 zu sprechen. Denn auch heute neigt man dazu, die Geschichte der Demokratie und der Revolution von 1848/49 auf mutige Männer und ihre Handlungen zu reduzieren und den Frauen, eine passive und unbedeutende Rolle zu zuordnen. Während bereits eine Vielzahl an Untersuchungen zu der Beteilung männlicher Akteure an der Revolution 1848/49 existieren, steht die Forschung zur Rolle der Frauen an der Revolution diesem noch weit nach. Jedoch gewinnt das Thema der Frauengeschichte im Zusammenhang mit der Revolution zunehmend an Bedeutung. Immer mehr werden auch einzelne weibliche Akteurinnen der Revolution in den Fokus gesetzt.
Hierfür wurden bereits von einigen Forscherinnen eine Definition und Kategorisierung der Handlungsmöglichkeiten dieser Frauen vorgenommen. Die Historikerin Kerstin Wolff unterscheidet beispielswiese in drei wesentliche Kategorien von Handlungsorten für Frauen in der Revolution 1848/49: Die geschriebenen, handelnden und gewaltsamen Orte.
Um Ihnen diese möglichst nahe zu bringen, werde ich diese drei Kategorien anhand zweier Dresdner Akteurinnen während der Revolution erläutern – der Schriftstellerin und Vereinsgründerin Auguste Scheibe sowie der Barrikadenkämpferin Pauline Wunderlich.
Wir beginnen hier mit Pauline Wunderlich. Diese wird in der Literatur immer wieder als prominentes Beispiel einer Barrikadenkämpferin während der Revolution 1848/49 hervorgehoben. Wunderlich ist somit eine Akteurin in der von Wolff definierten Kategorie der ‚gewaltsamen Orte“.
Zunächst gilt der Barrikadenkampf als typisch männlicher Ort der Revolution. Tatsächlich nahmen aber in verschiedenen Städten wie Dresden, Berlin, Wien, Trier und Frankfurt auch Frauen an den Kämpfen teil. Neben den weiblich zugeordneten Tätigkeiten wie Versorgung durch Verpflegung und karikative Hilfe beteiligten sich Frauen jedoch auch am Barrikadenbau, der Bewaffnung der Kämpfenden, der Herstellung von Munition und, wie im Fall von Pauline Wunderlich, auch an den Kämpfen selbst. Ihre Taten wurden von verschiedenen Zeitgenossen bereits kommentiert u.a. in der Frauen-Zeitung durch die Novellette 'Pauline' von Benno Haberland. Hier hören Sie nun ausgewählte Auszüge dieses Textes:
Quelle:
„[…] Pauline dachte an ihren Franz, der versprochen hatte, heute zeitiger als sonst da zu sein, und doch so lange ans sich warten ließ. — Bald sollte sie ja auf ewig die Seine sein, und nur eine Nacht lag zwischen dem längst ersehnten Ziele. Morgen sollte sie der Pfarrer am Altar segnen, und Gattin des schönen Maler Franz werden […] Aus diesen Betrachtungen riß sie das tobende Geräusch der vorüberziehenden Volksmenge — was war geschehen ? — Menschen - Massen, bewaffnet, eilen vorüber, stieren Blickes, wild stiegen die Haare um ihre Häupter — Kanonen- Donner ertönt von ferne — Sturm-Glocken läuten — es ist in der Residenz — und Franz noch nicht hier!? […] Revolution tönt es ihr ins Ohr — Franz ist ein Freigeist, er wird sich beteiligt haben am Aufruhr — er will eine neue, bessere Welt schassen helfen, hat er oft gesagt, und sie kennt ihn, er hält Wort. Da zieht eine Schaar muthiger Turner vorüber — Franz ist noch nicht da — ein Gedanke durchbebt sie — im Zimmer hängen die Turn-Kleider des Geliebten, sie kleidet sich in dieselben, küßt die Mutter, und eilt hinab […] Endlich haben sie die Stadt erreicht; Barrikaden erheben sich vor ihren Augen — Kugeln durchsausen die Luft, und die wilden Männer, die auf der Barrikade stehn, fürchten sich nicht — kühn laden sie die Gewehre, und richten die Feuerschlünde nach ihren Brüdern und Söhnen, den Soldaten, die ihre Feinde sind. Pauline zittert — sie späht umher, den geliebten Bräutigam suchend — ein Jüngling steht hoch oben auf der Barrikade […] sie erkennt den Jüngling mit rabenschwarzem Lockenhaupt — Franz ist es, der geliebte Franz. — Sie ruft ihn beim Namen, und Franz stürzt getroffen vom feindlichen Blei von der Barrikade. — Sie erhebt ein entsetzliches Geschrei, umklammert den geliebten Leichnam, küßt die kalten Lippen — ruft seinen Namen tausend Mal, aber Franz, der morgen ihr Garte werden sollte, hat sich mit dem Tode vermählt. Da erfaßt Verzweiflung ihre Sinne, und artet in Raserei aus — sie entreißt dem kalten Leichnam das Feuerrohr, ladet es mit wilder Freude, springt hinauf auf die Barrikade, und sendet die rächenden Kugeln hinüber — jede Kugel, die sie hinüberschickt, trifft einen Feind. […] Niemand thut ihr Einhalt, man fühlt eine heilige Scheu vor dem kühnen Weibe. […] Ein junger Officier drängt sich mit gezogenem Säbel heran an die Barrikade — Pauline erkennt ihn — es ist ihr Bruder — vielleicht der Mörder ihres Franz, denn er konnte Franz nicht lieben. Ein wildes Lächeln umspielt ihren Mund — sie legt das Rohr an — ein Druck, und der Bruder, des Königs Söldling, stürzt getroffen zu Boden ; jedoch mit ihm auch Pauline. Drei Soldaten-Kugeln rächten ihren Lieutenant“
Die Novellette ist sichtlich stilistisch aufgebauscht und es stimmen auch nicht alle Inhalte mit den Angaben Wunderlichs zu ihrer Beteiligung an den Barrikadenkämpfen überein, welche wir aus den Gerichtsakten kennen. Wunderlich beteiligte sich demnach nach eigenen Angaben tatsächlich an den als Turner verkleidet an den Barrikadenkämpfen, tatsächlich auch motiviert durch den Tod ihres Verlobten am ersten Tag des Aufstands. Allerdings starb sie nicht während des Maiaufstandes, sondern wurde nach den Kämpfen inhaftiert und ursprünglich zu lebenslanger Haft verurteilt, eine Strafe, die später zur Begnadigung im Jahr 1850 und ihrer Emigration nach Amerika führte. Haberlands Novellette entspricht somit – vermutlich absichtlich – nicht den wahren Gegebenheiten. Stattdessen wird hier die ausgeprägte Heroisierung Wunderlichs als weibliche Kämpferin deutlich. Ihr fast schon manisches Verhalten, welches auf dem Tod des Verlobten resultiert, ist dabei jedoch kritisch zu betrachten: Die aktiv kämpfende Frau war kein gern gesehenes Frauenbild, weshalb den Frauen häufig das Motiv der Trauer um den Bräutigam für die Beteiligung zugeschrieben wurde.
Bis zum jetzt Zeitpunkt haben wir uns mit den Ereignissen vor und während des Maiaufstandes vor allem mit der Seite der Revolutionäre auseinandergesetzt. Nun folgt eine nochmal eine andere Perspektive: Die Königs Friedrich August II.