Verlorene und wieder entdeckte Orte

Stadtführung Stuttgarter Straße 4, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Erhaltene Gebäude sind unmittelbare Zeugnisse der Stadtgeschichte. Viele Gebäude oder Teile davon sind jedoch über den Lauf der Jahrzehnte verloren gegangen. Abbildungen zeugen noch von den Orten. Die Führung durch die Pliensauvorstadt in Esslingen erzählt von der früheren Bedeutung, um der Geschichte und dem Wandel des Stadtteils nachzuspüren.

Autor: Dagmar Hanussek

11 Stationen

Pliensaubrücke_Äußeres Tor

Brückenstraße 4, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Äußeres Brückentor mit Heiligkreuzkapelle.

Unsere 1. Station befindet sich auf dem südlichen Brückenkopf der Pliensaubrücke.

In reichsstädtischen Zeiten, als das Gebiet der Pliensauvorstadt unbesiedelt war, konnte man die Stadt von Süden her nur über die mit 3 Türmen befestigte Pliensaubrücke erreichen, s. Abb. "Die Brücke zu Esslingen." Hier stand der Äußere Brückenturm, an den die Heiligkreuzkapelle angebaut war. Karl Pfaff sprach von dem „Heilig-Kreuz-Thor“. Es diente nicht nur der Sicherheit, sondern war auch Zollstation.
Davor "an Land" lag das kleine Brückentor mit angebautem Bettelhaus. Die Bettler mussten vor den Toren der Stadt bleiben, dort konnten sie von Reisenden Almosen empfangen.

Spätere Darstellungen, s. Abb. "Äußeres Brückentor mit Heiligkreuzkapelle", zeigen das Tor mit einem Fachwerkeinsatz in der Mitte und massiven Wandteilen auf beiden Seiten. Ungewöhnlich war der Einsatz von Fachwerk auf der sog. „Feldseite“.
Doch auch die Heiligkreuzkapelle wies Ungereimtheiten auf. Es gibt Vermutungen, dass eine Grundanlage der Kapelle schon vor der steinernen Brücke gebaut wurde, da das Fußbodenniveau der Kapelle 1 m unter dem der Brücke lag, während die Strebepfeiler, die Maßwerkfenster und der kleine Dachreiter mit dem massiven Turmhelm auf die Zeit um 1400 deuteten.

Karl Pfaff schreibt in den dreißiger Jahren des 19. Jh. (1838) über die Heiligkreuzkapelle in der Auseinandersetzung um Abriss oder Erhalt: „...sie befindet sich in einem guten Zustand mit einem schönen Kreuzgewölbe im Innern. Ihr schief stehendes „Kirchthürmlein“ und das Angebautsein an das „Brückenthor“ geben ein unverwechselbares, hübsches Bild des Stadteingangs von Süden an der sehr frequentierten Land- und Heerstraße.“ Die Kapelle war deshalb in allen Rissen und Karten vermerkt und verzeichnet worden.
1793 wurde eine Wachtstube darin eingerichtet. Nachdem der Thorturm (1838) abgebrochen war, verblieb die Kapelle eine Zeit lang beschädigt stehen. Die Diskussion über ihren Erhalt (als Wohnung und Wachtstube des Thorwächters) wurde in den Gremien der Stadt geführt. Der Bürgerausschuß sprach sich für den Erhalt aus, der Stadtrat beharrte auf den Abbruch. Am 28.12.1838 wurde der Abbruch abgeschlossen.

Damit war ein weiteres Zeichen einer Zeitenwende gesetzt: Die reichsstädtischen engen Grenzen fielen mit Macht. Das Zeitalter der Industrialisierung kündigte sich an.
Zu Reichsstadtzeiten war das Pliensauvorstadtgelände reines Agrarland, unbesiedelt, damit das Herannahen feindlicher Streitkräfte nicht verborgen blieb. Es war durchzogen von wichtigen Handels- und Heerstraßen in O/W und N/S Richtung und bekannt für Richtstätten vor den Toren der Stadt.
Jetzt aber brauchte die Stadt weiteres Land auf der anderen Seite des Neckars mit Zugang zu Wasserkraft für Betriebe. Das wachsende Heer der Arbeiter benötigte Wohnungen. Die Besiedelung begann. Die Stadt erweiterte sich.

Firma Duderstadt

Pliensaubrücke, 73728 Esslingen am Neckar, DE

Firma und Villa Duderstadt, Plattir- und Metallwarenfabrik.

Unsere 2. Station befindet sich mitten auf der Pliensaubrücke. An dieser Stelle befand sich zu reichsstädtischen Zeiten der mittlere Turm, s. Station 1, Abb. "Die Brücke zu Esslingen." Heute endet hier das mittelalterliche Bauwerk und die Spannbetonbrücke über den kanalisierten Neckar beginnt.
Blicken wir in Richtung Pliensauvorstadt auf die Seite links neben der Brücke sehen wir ein großes Verkehrsbauwerk, das die Vogelsangbrücke mit der Brückenstraße und der B10 verbindet.

Noch in den 60er Jahren wurde darum gerungen, wie der Verkehr zu führen ist, denn es stand der Standort der bedeutenden Firma Duderstadt auf dem Spiel, s. Artikel Stuttgarter Nachrichten.

Wir sehen heute die Gebäude der Hangseite der Berkheimer Straße hinter dem Verkehrsbauwerk. Ihnen gegenüber zum Neckar hin befanden sich die Fabrikationsstätten der Fa. Duderstadt. Das zeigt uns die Abbildung von der Neckarseite der Fa. Duderstadt. Direkt an der Pliensaubrücke (in der Abb. rechts) stand die große Villa Duderstadt. Der Stadtteileingang war viele Jahrzehnte durch sie geprägt, s. Abbildung Stadtteileingang.

Bereits 1835 hatte Jakob Duderstadt seine Firma in der Innenstadt (vermutlich Pliensaustraße) gegründet. Hergestellt wurden feine Wagenlaternen für Luxuswagen. Bisher gab es keine Produktion in Deutschland dafür, die Laternen kamen aus Paris und London. Abnehmer waren Stuttgarter Wagenfabriken, aber auch König Wilhelm I., dessen königliche Karossen, waren es Kutschen oder Kraftfahrzeuge, mit Laternen und Wagengeschirr (s. Abbildung auf Rechnung) der Fa. Duderstadt ausgestattet wurden.

Nach Einrichtung der Eisenbahnlinie in Esslingen und der Gründung der ME wurden auch für den Eisenbahnbetrieb Laternen hergestellt.
Nachdem Gas für die Straßenbeleuchtung der Städte zur Verfügung stand, produzierte Duderstadt auch Gaslaternen. Esslingen und andere Städte stellten die Leuchten der Firma im gesamten Stadtgebiet auf.

Weil eines der 3 Gebäude, die in der Innenstadt Firmensitz waren, abgerissen werden mussten, und die Firma sowieso die vielen Arbeiter, Maschinen und Waren kaum mehr unterbringen konnte, etablierte sie sich 1873 in der Pliensauvorstadt neu mit dem Sohn Karl Duderstadt.
Es entstanden zunächst schlichte Produktionsgebäude, dann aber auch ein repräsentatives Gebäude mit historisierenden Elementen wie Treppengiebel, Pilaster und Rundbogenfenster, die Selbstbewusstsein und Anspruch des Betriebs repräsentierten, s. Abb. "Blick vom Zollberg" und "Berkheimer Straße".

Es wurde mit modernster Technik produziert - 2 Dampfmaschinen mit 2 Dampfkesseln mit zs. 60 PS.

Die Vielfalt der Metallbearbeitung und der Ausführung war der Stolz des Unternehmens:
Eisenlackierte, eisenverzinnte, Eisen hochfein glanzpolierte, Eisen mit Messing plattierte, Eisen mit Neusilber oder Nickelin plattierte, galvanisch versilberte oder vergoldete, echt silberplattierte Beschläge; ebenso Geschirrbeschläge in fein Messing, Tombak, Neusilber, Nickelin und ....

Deshalb wurden Facharbeiter unterschiedlichster Ausprägung beschäftigt:
Klempner, Metalldrücker, Glasbieger und –schleifer für Laternen und Wagengläser, Lackierer, Wagenleistenmacher, Metallgiesser für die versch. Legierungen, denen die Formerei in Hand und Maschinenformen vorangeht; ferner Feiler, Gürtler, Metalldreher, Metallschleifer, Silber-, Neusilber- und Messing-Plattierer, Präger und Hersteller aller Verzierungen, Silberschleifer, Galvaniseure, Ziselierer, Modellierer, Schmiede, Schlosser und Schreiner.

Leider hat sich die Tragödie wiederholt: der Standort musste wegen Straßenbaumaßnahmen aufgegeben werden, wie schon damals in der Innenstadt. 1964 wurden noch Gutachten und Gegengutachten (Prof. Leibbrand) erstellt, um den Firmensitz vor dem Abriss wegen dem geplanten Bau der B10 (1965-67) und den Anschlussrampen an die künftige Vogelsangbrücke (1973) zu retten. Doch es nützte alles nicht. Das gesamte Firmengelände wurde geräumt. Die Firma ist nach Metzingen umgezogen mit einem Zweigwerk in Bempflingen. Heute besteht sie nicht mehr.

Der Bau der B10 und ihre Anbindung an die Stadt auf dem Gebiet der Pliensauvorstadt hat dem Stadtteil den Zugang zum Neckar genommen, den Straßenraum der Berkheimer Straße einseitig amputiert und einen gesichtslosen Stadtteileingang beschert, geprägt durch ein Verkehrsbauwerk.

Villa Gruner

Stuttgarter Straße 2, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Firma und Villa Gruner, Seifenfabrik.

Unsere dritte Station führt uns zu dem Wohnhaus einer erfolgreichen Seifenfabrikanten-Familie.

1805 gründete Jakob Friedrich Gruner in Calw eine Seifensiederei. Um 1850 verlegte der Sohn Benedikt den Betrieb in die aufblühende Industriestadt Eßlingen. Er ließ sich von Frankreich und Holland zu neuen Produkten wie Marseillerseife und Schmierseife anregen, die Anerkennung auf internationalen Ausstellungen fanden. Der Absatz der neuen Produkte stieg rasant. Das wachsende Unternehmen fand ein neues Fabrikgelände auf der anderen Neckarseite.

1869 erfolgte der Umzug von der Milchstraße 2 in die Pliensauvorstadt neben dem Brückenkopf. Hier wurde zum ersten Mal in Württemberg mit Dampfantrieb produziert, s. Anzeige Esslinger Wochenblatt. Mit der „Grunella-Seifenmühle“ (s. Abb.) brachte die Firma 1954 einen Seifenspender auf den Markt, der sich rasend schnell im In- und Ausland verbreitete. Bis 1972 bestand die Firma Gruner. Dann fusionierte sie mit „Enzian“ in Metzingen.

Das Firmengelände wurde abgeräumt und im Zuge der Sanierung „Soziale Stadt Pliensauvorstadt“ entstand der „Spiel- und Bewegungsraum Stuttgarter Straße“, den wir neben dem Wohnhaus sehen.


Die Villa des Firmeninhabers (1874) stellt sich bescheiden dar, liegt aber in bester Lage am Stadtteileingang.
Der Natursteinsockel und Gesimse in Brüstungshöhe der Fenster und in Höhe der Geschoßdecke sind einige der wenigen Schmuckelemente. Die Schauseite zur Stuttgarter Straße weist einen Zwerchgiebel auf. Die beiden zugehörigen Fensterachsen mit besonders betonten Verdachungen und Brüstungselementen der Fenster bringen so die wichtige Funktion der Räume dahinter zum Ausdruck: im Parterre das Speisezimmer und in der Bel Etage ein großer repräsentativer Wohnraum. Im Parterre liegt auch das Comptoir, ein großer Raum in der Nordwest-Ecke mit Blick auf das Fabrikgelände; hier fanden geschäftliche Treffen und Besprechungen statt.

Die Villa Gruner steht heute unter Denkmalschutz. Sie wird zur Zeit renoviert und stellt ein Zeugnis der großen Industriegeschichte der Pliensauvorstadt dar.

Fa. Bohner-Köhle

Weilstraße 8, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Fa. Bohner-Köhle, heute Bürgerhaus.

Auf dem Weg zu Station 4 überqueren wir die Stuttgarter Straße und kommen in ein neu gestaltetes Stadtquartier. Um den Stadtteilplatz in der Mitte gruppieren sich Bürger- und Mehrgenerationenhaus (erbaut 2007), Pflegeheim, Kindergarten, seniorengerechte Wohnungen und der Netto Marken-Discount.

Gehen wir durch den Durchgang vom Stadtteilplatz zur Weilstraße, kündet der Laufkran unter dem Dachstuhl des Bürgerhauses von der Zeit, als hier hochwertige Maschinen gebaut wurden. In der Weilstraße angekommen, zeigt sich die erhaltene Außenwand der Montagehalle der Fa. Bohner-Köhle.

Die Ziegelwand weist eine vertikale Gliederung auf, betont durch die Mauerlisenen an den Wandpfeilern. Die Fensterjoche sind zurückgesetzt, Stichbögen mit Schluss- und Auflagersteinen sowie Maueranker mit Zierrossetten gehen über die einfache Gebrauchsarchitektur hinaus und zeigen Gestaltungswillen. Fa. Bohner-Köhle hatte dieses Gebäude 1938 hinzugekauft.

Gegenüber in der Weilstraße 9 begann 1920 die Geschichte der Firma in der Pliensauvorstadt. Die Gründer Karl Bohner (*1878) und Karl Köhle (*1878) hatten ihre mechanische Werkstätte in der Mauerstraße am Landolinsplatz in Esslingen hierher verlegt.
Schon 1923 wurden die ersten BOKÖ-Maschinen erfolgreich produziert. Bekannt wurde die Firma für ihre mitlaufende Präzisions-Drehbankspitze und die Senkrecht-Bohr- und Fräsmaschinen. Bis in die Kriegsjahre wuchs der Betrieb auf 170 Mitarbeiter.

Nach dem Krieg fing die Firma wieder fast von Vorne an, da die amerikanische Besatzung die Betriebseinrichtung demontierte und bis 1954 die Montagehalle sperrte. Doch die Firma baute sich beharrlich neu auf und brachte bald die hochwertigsten, „made in Germany“- Produkte auf den Weltmarkt.
1962 wurde eine zweite Werkniederlassung mit großer Werkshalle und zentralem Lager in Neuhausen auf den Fildern gegründet. Verwaltung und Entwicklung sowie die Fertigung kleinerer und mittlerer Werkzeuge, wie das Sortiment der Spannwerkzeuge blieb in Esslingen.

In den 1990er Jahren ging der Betrieb in Konkurs und eine Industriebrache entstand. Das Sanierungsprogramm „Soziale Stadt“ beförderte die neue Nutzung des Geländes, die dem ganzen Stadtteil zugutekommt. Die Ziegelfassade zur Weilstraße und der Laufkran im Durchgang erinnern an die industrielle Vergangenheit des Gebäudes, die heute dem Bürgerhaus einen unverwechselbaren Charakter schenkt.

Villa Dilger

Uhlandstraße 12, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Firma und Villa Dilger,
Württembergische Blechemballagen-Fabrik.

Das Gebäude Uhlandstraße 12 ist unser Ziel.

Die Fabrikantenfamilie Dilger hatte die Villa erst 1919 erworben. Ursprünglich wurde das Haus 1895 von dem Fabrikanten Robert Kriegeskorte erbaut: über dem Eingang in der Loggia seitlich am Haus sind seine Initialen RK in dem Schlussstein des Türgewändes eingemeißelt. Hier finden sich auf einzelnen Schmucksteinen und an der Holztür selbst plastisch herausgearbeitete Halbkugeln, ein Zeichen für seine berufliche Passion: der Handel und die Herstellung von Munition.

1878 war er Mitbegründer der Firma Junghans & Kriegeskorte auf dem Zollberg, die Handel mit Sportwaffen trieb und später auch die Produktion übernahm. Als sie aber wegen dem Widerstand der Bevölkerung und der Behörden kein Lagergebäude für Schwarzpulver etc. in der Pliensauvorstadt errichten durfte, zog sie nach Cannstatt um. Robert Kriegeskorte verkaufte die Villa.

Die Schauseite zur Uhlandstraße weist ein Zwerchhaus auf, das ein wenig vortritt. Hier springt in Höhe der „belle Etage“ ein Erker vor, historistisch gestaltet mit kannelierten Pfeilern an den Ecken, darüber trägt ein Architrav mit Fries und Zahnschnitt die Bedachung. Die Brüstung bilden barocke Balustraden. Er ruht auf geschwungenen, kräftigen Konsolen – sogar die Unterseite der Bodenplatte ist geschmückt mit einer Blume aus Stein.

Besonders das Erdgeschoss mit dem stark strukturierten Putzsockel, den Bossensteinen um die Fenster, den Pfeilern der Loggia sowie die Ausbildung der Unterseite des Erkers mit Voluten wirken sehr ausdrucksstark, fast manieristisch.

Der Fachwerkanbau soll ursprünglich offen gewesen sein. Er ist aufwändig gearbeitet mit Zierauskreuzungen und den Halbkugeln auf den Köpfen der Deckenbalken.

Nachfahren der Fam. Dilger haben die Villa bis in die 1960er Jahre bewohnt.


Das Fabrikgelände Dilger befand gegenüber der Villa.
1889 tauchte unter Uhlandstr. 13/15 im Adressbuch das erste Mal der Flaschnermeister Joseph Dilger auf.

Der Hauptbau stand vorne an der Stuttgarter Straße wie auf der Zeichnung des Briefkopfes zu sehen ist. Ein Anbau entlang der Ostseite des Fabrikgeländes verlief senkrecht dazu und bildete einen Hof zur Uhlandstraße. Die zweigeschossige Fassade war durch Pilaster regelmäßig gegliedert, dazwischen große Fensteröffnungen, so dass helle Produktionshallen entstanden.

Hergestellt wurden, wie auf dem Briefkopf zu lesen ist, ein großes Produktspektrum z.B. Weißblechkannen, „Kannister rundeckig in jeder Größe und Aufmachung“, Weißblechdosen, Henkeldosen, Transportflaschen etc. Die Firma arbeitete sehr erfolgreich, von Prämierungen der Produkte 1910 und 1925 ist auf dem Briefkopf zu lesen.

Der letzte Eintrag im Adressbuch zu Fa. Dilger erschien 1962. Nach einem 3/4 Jahrhundert endete die Ära Dilger. Danach wurden die Gebäude von Fa. Hirschmann in Esslingen eine Zeitlang weitergenutzt.
Im Zuge des Programms „Soziale Stadt“ wurde die Industriebrache abgeräumt, das Quartier neu geordnet und an den Blockrändern Wohnbebauung erstellt, z.T. altengerecht und betreut.

Fa. Stiefelmeyer

Stuttgarter Straße 10, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Fa. Stiefelmeyer, Messwerkzeuge.

Gegenüber Station 5, der Firma Dilger, auf der anderen Seite der Stuttgarter Straße befanden sich die Betriebsgebäude der Firma Stiefelmeyer zwischen Kreuzgartenstraße und Uhlandstraße.

1874 gründete Carl Stiefelmeyer (1845 – 1910) eine Fabrik für Messwerkzeuge. Der Bedarf ergab sich aus der rasanten Industrialisierung des mittleren Neckarraums.

Die metallverarbeitende Industrie arbeitete damals mit hölzernem Zollstock und Greifzirkel aus Holz als Messwerkzeuge. Stiefelmayer brachte die Schieblehren auf den Markt, erst in handwerklicher Herstellung, dann in Serienfertigung. So konnte die Präzision und die Schnelligkeit in der Metallbearbeitung wesentlich gesteigert werden.

C. Stiefelmeyer war Mitglied im Stadtrat und hat sich in dieser Funktion und als Gründungsvorsitzender des Pliensauvorstadtvereins sehr für den Stadtteil engagiert.

In den folgenden Jahrzehnten baute die Firma ihre Produktpalette stetig weiter aus. Sie reichte von Schieblehren, Schraublehren, Richtplatten, Anreißwerkzeuge über Winkel und Lineale bis zu Präzisionswasserwagen und Zahnradmessmaschinen z.B. für den Lokomotivenbau in der nahe gelegenen Maschinenfabrik Esslingen.

Nach dem Krieg betrieb die Firma einen Laden in der Küferstraße. Es kamen optische Messwerkzeuge hinzu sowie in den 70er Jahren eine weitere Innovation: die Stiefelmayer 3D Horizontalarm-Maschine mit Digitalanzeige zur dreidimensionalen Längenmessung mit Rechnerunterstützung, eingesetzt im Werkzeugbau und der Automobilindustrie.

Am Standort Denkendorf bietet die Firma heute modernste kundenspezifische Lösungen in den Bereichen Messtechnik, Spanntechnik sowie Lasertechnik.

Der ehemalige Standort in der Pliensauvorstadt ist nach dem Abriss der Fabrikgebäude in den 1980/90er Jahren mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut worden. Nichts deutet mehr auf die industrielle Vergangenheit hin.

Lederwarenfabrik Roser

Uhlandstraße 5, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Die Lederwarenfabrik J. H. Roser
(heute Gebäude Roser der Daimler AG)
hatte Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert, denn Kaspar Roser, Obermeister der Gerberzunft, war in Stuttgart eingewandert und 1733 hier verstorben.

Von Sohn zu Sohn war die Handwerkstradition weitergegeben worden bis zu Jakob Heinrich Roser (1811-1891), der Firmengründer, der den Handwerksbetrieb zu einem modernen industriellen Großbetrieb geführt hatte. Die Firma nannte als Datum der Gründung 1806, so dass 1906 das 100-jährige Jubiläum stattfand, zu dessen Ehren eine Festschrift herausgegeben wurde, s. Bild „Titelblatt Festschrift“.

1875 zog der Betrieb von Stuttgart in die Pliensauvorstadt um. Die drei Standorte in der Stuttgarter Innenstadt waren zu eng geworden waren.

Die Architekten Wittmann und Stahl errichteten auf einem Grundriss, der die Form eines lateinischen Kreuzes hatte, das Gebäude, s. Bild „Perspektive Fabrikgebäude“.

Zur Stuttgarter Straße lag das Kopfgebäude des Kreuzes, in dem das Magazin mit Kontor und der Wohnbereich untergebracht waren.

Die besondere Bedeutung wurde hervorgehoben durch eine besondere Gestaltung:
o Sockel und Fensterumrahmungen aus hellem Haustein (handwerklich bearbeiteter Naturstein)
o Treppenhaus als Turm mit überdachter Plattform
o Ein zweigeschossiger Erker mit Zwillingsfenstern, der oben mit einem Schwebegiebel und einem hölzernen Ziergitter abschließt, an der Giebelwand zur "Alten Stuttgarter Straße", heute Hedelfinger Straße.

Schwebegiebel heißt ein aus Sparren gebildeter Giebel, frei vor die eigentlichen Giebelwand gesetzt und gehalten durch auskragende Konstruktionshölzer (Pfetten, Rähm, …).

Bemerkenswert ist die frühe Verwendung von historistischem Zierfachwerk im Traufbereich, im giebelseitigen Erker, im Giebel selbst, an den Veranden und an den Fabrikflügeln. In Esslingen selbst kamen diese Fachwerkformen später und an Fabrikbauten in schlichterer Ausführung vor.

Vor den Fabrikgebäuden wurde ein schöner Park wie ein repräsentatives Entrée angelegt, s. Bild: Gebäude Roser Perspektive Gesamtanlage 1906.

Die nächste Generation, die Gebrüder Roser (Heinrich und Ernst Roser, Söhne von Jakob Heinrich Roser) wollten einen Musterbetrieb für die Lederbranche einrichten, technisch und maschinell auf modernstem Stand.

Viele Bauten wurden auf dem Fabrikgelände errichtet. An das Ursprungskreuz wurde angebaut: Farbenwerkstatt, Trocknereigebäude, Kesselhaus, Grubengebäude, Zurichterei, Häutelager, … Die Kreuzform war nur noch schwer ablesbar.

Es wurden Aufzüge eingerichtet und eine verbesserte Trockenanlage. Die Dampfmaschine wurde ersetzt, von 12 PS auf 25 PS aufgerüstet.

Handarbeit wurde durch Maschinenarbeit abgelöst. Eine Fülle an Produkten wurde hergestellt, so dass die Anzahl der Arbeiter in 30 Jahren auf das Fünffache anstieg:
1875 sind 40 Arbeiter beschäftigt,
1890 sind 80 Arbeiter beschäftigt,
1900 sind 170 Arbeiter beschäftigt,
1906 sind 200 Arbeiter beschäftigt.

Die Produkte wiesen einen hohen Qualitätsanspruch auf:
- Maschinenriemenleder, notwendig durch das Anwachsen der Industrie
- Schweinslederherstellung
- farbige Rindsleder für die Möbel- und Portefeuillebranche (deshalb Handschuhfabrik)

„Niederlagen“ (Niederlassungen) wurden in ganz Europa und Übersee gegründet:
Europa: Berlin, Paris, London, Wien. Übersee: USA, Südamerika, Kanada, China, Australien.

Bis in die 1960er Jahre wurde die Lederfabrikation weitergeführt. Dann wurde die Fabrik geschlossen.

Um 1985 wurde der lange Arm des Kreuzes abgebrochen. Es erhielt sich das Kopfgebäude und die seitlichen Arme. 1987 wurde das Rosergelände von Fa. Daimler aufgekauft.

Die Roserfabrik stellt eines der ältesten noch erhaltenen größeren Industriedenkmäler des 19. Jh. in Esslingen dar.

Erste Villa Roser

Uhlandstraße 5, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Erinnerung an die erste Villa Roser.

Unsere nächste Station befindet sich gegenüber den Fabrikanlagen Roser auf der anderen Seite der Uhlandstraße, s. Lageplan 1921, Gebäude Uhlandstraße 7.

Julius Roser hatte sich dort 1890 ein Wohnhaus gebaut, im Volksmund genannt das „Schlössle“ mit den Architekten Wittmann & Stahl, die auch die Fabrikanlagen geplant hatten.

Dort wohnten später im Erdgeschoss die Fam. Theodor Roser und im Obergeschoss die verschwägerte Fam. Weitbrecht. Mit dem Schwiegersohn von Ernst Roser, Nathanael Weitbrecht, entstand dieser neue Zweig der Familie. Die Roserfamilie war sehr zahlreich und viele der Nachfahren brachten sich in den Betrieb an leitender Position ein.

Als das Areal neu geordnet und bebaut wurde, erfolgte in den 1980/90erJahre der Abbruch.
Heute befindet sich der Eingangsbereich des Jobcenters Esslingen hier.

Villa Roser

Hedelfinger Straße 3, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Villa Roser.

Unsere nächste Station befindet sich in der „Alten Stuttgarter Straße“, heute Hedelfinger Straße.

Nur 9 Jahre nach Errichtung der ersten Villa Roser in der Uhlandstraße wurde dieses Mal durch den Esslinger Architekten Adolf Brintzinger 1899 ein weiteres Wohngebäude für die große Familie Roser errichtet.

Die Zusammengehörigkeit mit dem Fabrikgebäude zeigt sich in Material und Ausführung, Ziegelfassade und Zierfachwerk im Dachgeschoss.

An der Wetterseite verkleiden gestrichene kleine Holzschindeln das Fachwerk. Die Verkleidung ist nach unten wie ein Rock ausgestellt und verschattet den oberen Abschluss der Fassade, der durch einen Fries mit Deckenbalkenköpfen und Klötzchen gebildet wird.

Sandsteinreliefs in den Brüstungsfeldern, über dem Eingang und an der Fassade als Medaillon schmücken das Bauwerk.

Im Erdgeschoss gliedern flache Bänder aus Haustein, im Obergeschoss plastische Bänder aus Klötzchen in Brüstungs- und Sturzhöhe die Fassade.
In Deckenhöhe verläuft ein plastisches Gesims aus Haustein. Auch die Fensterbänke sind profiliert.
Bossensteine am Fuß der Fensterumrahmung und am Auflager der Stichbögen sowie als Schlusssteine betonen die Fensteröffnungen.

Die Schauseite zur Straße ist besonders prächtig ausgeführt. Ein Erker wölbt sich zur Straße vor neben einem Verandaanbau mit Kapitell gekrönten Pfeilern. Die Fabrikantenfamilie weiß sich darzustellen.

Die Familie war nicht nur geschäftlich aktiv, sondern auch als Vertreter der Interessen des Stadtteils.

Namentlich zu nennen wäre Rudolf Roser, der bis 1906 der erste Betriebsleiter war. Er war Mitglied im Pliensauvorstadtverein. Hier wurden die Anliegen des noch jungen Stadtteils besprochen, bewertet und öffentlich gemacht. Als Stadtrat hatte er sich diese zu eigen gemacht und war bemüht um Durchsetzung.

Hans Roser trat 1887 in die Firma ein. Er war verheiratet mit Lydia Mauz, der Tochter des Apothekers Mauz, und engagierte sich ebenfalls für den Stadtteil. Für den Pliensauvorstadtverein führte er 33 Jahre lang das Protokollbuch und brachte sich im Kirchenbauverein für den Bau der Südkirche ein.
Er wohnte mit seiner Familie im Erdgeschoss dieses Gebäudes und seine Schwester Margarete Roser im Obergeschoss. So wurde es mir von einer betagten Stadtteilbewohnerin geschildert.

Wohnquartier von R. Lempp 1920er Jahre

Karl-Pfaff-Straße 5, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Wohnbebauung Hedelfinger Straße 1-15 / Karl-Pfaff-Straße 1-7. Zur Bauzeit hieß die Hedelfinger Straße "Alte Stuttgarter Straße".

In vier Bauabschnitten wurden die Gebäude erstellt. Der älteste und erste Bauabschnitt liegt an der Karl-Pfaff-Straße und schließt die Hedelfinger Straße 15 mit ein.

Hier errichtete 1922/23 die Stadt Esslingen, namentlich Rudolf Lempp, der seit 1921 Stadtbaurat beim Hochbauamt war, eine geschwungene Wohnbauzeile und ein Einzelhaus als Auftakt der kleinen Siedlung, die beispielhaft für den Wohnbau der 1920er Jahre in Esslingen war.

Es waren eine der ersten Bauten von R. Lempp in Esslingen in einer schwierigen Zeit der Wohnungsnot und Inflation, wie es die Inschrift auf der Fassade zur Karl-Pfaff-Straße ausdrückt: „Erbaut in den trüben Jahren 1922/1923“ (s. Foto).

Unser Standort befindet sich in einem der Wohnhöfe. Hier liegen die Zugänge zu den Häusern und private Mietergärten.

Nicht nur Wohnhöfe, auch ein baumbestandener Quartiersplatz gehören zur Anlage, so dass dem zeitgemäßen Wunsch, eine durchgrünte und aufgelockerte Stadt zu schaffen, entsprochen wurde (s. Lageplan 1920er Jahre).

Wenn wir auf den Zeilenbau schauen, sehen wir eine lange, aber nicht langweilige Fassade (s. Fotos).
Sie wird rhythmisiert durch die Hauseingänge mit den darüber liegenden flachen Erkern. Auch die Traufe nimmt den Rhythmus durch Giebelchen über den Erkern auf.
Die Erker werden scheinbar durch Dekorelemente seitlich des Hauseingangs abgestützt.
Hauptsächlich wird aber die Horizontale betont durch die Gliederung in Sockel, drei Fensterreihen und ein vorspringendes Band in Brüstungshöhe der Fenster im obersten Geschoss. Die Fenster sind so eng gesetzt, dass sie mit den Fensterläden drei horizontale Bänder bilden. So ist die geschwungene Form gut ablesbar.

Das erste Dachgeschoß ist ausgebaut. Auch die Gauben sind pro Haus zu einem weiteren horizontalen Band zusammengefasst. Der Dachkörper verläuft über alle Einzelhäuser und fasst sie zu einem organischen Baukörper zusammen.

Die Gestaltung im Detail ist liebevoll und kleinteilig. Kleine Rundbögen über den Fenstern im EG oder dreieckige Giebel über den Fenstern im 1. OG, Pflanzendekor an den Erkern und über den Hauseingängen und ähnliches verleihen den Häusern ein unverwechselbares Äußeres und innerhalb des Ensembles einen Wiedererkennungswert (s. Fotos).

Die Gestaltung zeigt eine Hinwendung zum Heimatschutzstil, der den Bewohnern ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Geborgenheit vermitteln wollte. Dazu diente eine konservativ-traditionelle Formensprache z.B. mit steilen Dächern, Sprossenfenster und Klappläden.

Ziel des Heimatschutzstils war die Weiterentwicklung des Historismus mit traditionellen, regionaltypischen Bauformen. Alle neuen Bauwerke sollten sich harmonisch in die sie umgebende Kulturlandschaft einfügen, die alte Formensprache wiederaufnehmen und traditionelle Bauweise und Handwerk fördern.

Die Wohnungen waren modern, großzügig und gut ausgestattet für den Wohnungsbau der damaligen Zeit: ca. 61-64 qm groß, drei große Zimmer, eine Küche, einen Abort und eine Veranda (s. Grundriss 1923). Ein Badezimmer war damals ein unerschwinglicher Luxus.

Jeweils 2 Wohnungen liegen an einem Treppenhaus.
Die Geschoßhöhe beträgt „moderne 2.80 m“, die Außenwandstärken zwischen 38 cm im EG und 33 cm im OG.
Das DG ist entweder für eine Wohnung oder für Abstellräume vorgesehen.
Das Walmdach hat eine beachtliche Höhe von 6,70 m.
Das UG beinhaltet einen tieferen Gewölbekeller, Waschküche und Holz- und Kohlekeller.

Die Ausführung des Gebäudes ist grundsolide und handwerksgerecht, die Planung funktional und trotz der konservativen Formensprache in modernem Standard.

Trotz all dieser Qualitäten war die Wohnbebauung zu ihrer Zeit nicht beliebt, wie im Protokollbuch des Pliensauvorstadtvereins (Bestand Stadtarchiv) zu lesen war:
"Was wir hier dem neuen Herrn Stadtbaumeister Lempp nicht sehr zu Dank missen, ist, dass ebenfalls nach einem Jahre von ihm, unser freier Blick talabwärts nach Weil durch eine Talsperre in Gestalt einer langgestreckten Mietskaserne, die … soll, so jäh gehemmt u. gestört wird, das ist auch ein Zeichen der Zeit, daß man sich das so ohne Weiteres gefallen lassen muß, u. merkwürdig ist, daß zu dsr. Verschandelung der Gegend gerade Bürger aus der Vorstadt, d. Herren Reim mithelfen dürfen, denen wir natürlich die ihnen zugefallenen Arbeitsgelegenheit u. den Verdienst von Herzen gönnen würden." (Sitzung 1. Juni 1923)

Lempps Intention war aus der „reizvollen, alten Reichsstadt“ eine „gesunde, moderne Wohn- und Industriestadt“ zu machen.

Eine kurze Vorstellung des Architekten:

Rudolf Lempp (1887-1981) studierte in Stuttgart Architektur als Schüler und Assistent von Paul Bonatz (HBhf. Stgt.) und entwickelte sich zu einem Vertreter der konservativen Stuttgarter Schule, die auf regionale Bautraditionen aufbaute, auf einer handwerklich soliden Gestaltung bestand und das Bauen mit industriell vorgefertigten Bauteilen ablehnte.

Er war von 1922 bis 1929 Leiter des Hochbauamtes und Stadtbaurat in Esslingen am Neckar. Während dieser Zeit wurde u. a. der einsturzgefährdete Turmhelm der Frauenkirche renoviert, das Alte Rathaus erneuert, die Burg umgestaltet, der Bahnübergang Pliensaubrücke gebaut.

Von 1927 bis 1947 war Rudolph Lempp Professor für Hochbaukunde für Bauingenieure an der Technischen Hochschule Stuttgart. 1930 wurden in Esslingen das nach seinen Plänen gebaute Städtische Krankenhaus und das ev. Gemeindehaus am Blarerplatz eingeweiht.

Von 1947 bis 1953 war Rudolf Lempp Leiter der Stuttgarter Staatsbauschule.


Die gezeigte Wohnbebauung hat wohl keinen hohen Bekanntheitsgrad. Doch kann sich der Stadtteil glücklich schätzen, so ein Kleinod, teilweise im Originalzustand, zu besitzen.
Seit fast 100 Jahren schenken die Gebäude den Bewohnern eine Heimat. Leider sind Fassaden und Außenanlagen teilweise in keinem guten Zustand. Trotzdem die Anlage unter Denkmalschutz steht, wird ein Teil nicht ausreichend gepflegt und instandgesetzt. Es fehlt eine Kinderspielanlage; die Wohnhöfe und der Quartiersplatz sind vernachlässigt. Schade! Darin stecken viel Potential zur Verbesserung der Wohnsituation, wie es der Erbauer vorgesehen hatte.

Schlusswort am Stadtteilplatz

Weilstraße 8, 73734 Esslingen am Neckar, DE

Gedanken zum Thema: Verlorene und wieder entdeckte Orte.

Denkmale haben es stets schwer in Zeiten eines Umbruchs, wenn sich Prioritäten verschieben und die Gebäude eine neue Bewertung erhalten.

Dafür ist das Äußere Brückentor mit der Heiligkreuzkapelle ein Beispiel. Einerseits eine bekannte und beliebte Landmarke, andererseits ein Störfaktor auf dem Weg zur Stadterweiterung am anderen Neckarufer.

Hier und bei Fa. Duderstadt mit der prächtigen Villa am Stadtteileingang spielten die Bedürfnisse des wachsenden Verkehrs eine Rolle. Hier wurden gesamtstädtische oder sogar regionale Interessen übermächtig.

Verliert ein Ort seine charakteristischen Bauten, so verliert er seine Identität. Zusammenhänge sind nicht mehr ablesbar und erlebbar.

Nicht nur der Verkehr, auch wirtschaftliche Umbrüche, wie der Strukturwandel in den 1960/70er Jahren, hinterließen ihre Spuren. Die Betriebsgebäude der Firmen Dilger, Gruner oder Stiefelmayer und die erste Villa Roser sind komplett verschwunden.
Wohn- und Geschäftshäuser nehmen den Raum ein. Nichts deutet mehr auf eine industrielle Vergangenheit dieser Orte hin.

Ist es möglich, ein Teil der Gebäude oder Bauteile zu erhalten, behält der Ort seine individuelle Prägung wie bei dem Bürgerhaus oder dem Gebäude Roser zu sehen ist. Nicht nur die heutige Nutzung, auch die vergangene ist ablesbar – verschiedene Erlebnisebenen greifen ineinander.

Da der Wohnstandard über die Jahrzehnte anspruchsvoller wurde, ist es eine Herausforderung, historische Villen oder Wohnsiedlungen in zeitgemäßer Weise zu nutzen.

Es ist zu bedauern, wenn entsprechende Bauten nicht mehr angepasst und „verwohnt“ werden, bis sie nicht mehr zu retten sind. Die Villa Gruner war in Gefahr. Nach Erhalt des Denkmalstatus in den letzten Jahren ist jedoch ein Umdenken erfolgt, so dass eine Sanierung durchgeführt werden wird.

Auch für die Wohnbebauung von Rudolf Lempp hofft die Stadtteilbevölkerung auf Maßnahmen, die die Außenanlagen und den Quartiersplatz aufwerten und die Fassaden instand halten. Im Moment sind die Ambitionen des Erbauers, ein durchgrüntes Wohnquartier zu schaffen mit hohem Identifikationsgrad, teilweise leider nicht mehr erlebbar.

Als durch und durch positives Beispiel stehen die erhaltenen Villen Roser und Dilger. Sie bieten ein lebendiges Zeugnis der Ortsgeschichte.