Am Markt, 26506 Norden, DE
Die heute größte mittelalterliche Kirche Ostfrieslands steht im Zentrum des Norder Marktplatzes. Der älteste Teil dieser Kirche ist das niedrigere Langhaus, das - höchstwahr-scheinlich als Nachfolgerin einer Holzkirche - im frühen 13. Jahrhundert als romanische Einraumkirche erbaut wurde. Diese schloß im Osten mit einer halbrunden Apsis (Altarraum) ab und hatte zwei Eingänge an der Nord- und Südseite, kleine Rundbogenfenster und eine flache Holzbalkendecke.
Geweiht war sie dem heiligen Liudger, dem in Westfriesland geborenen Apostel der Friesen und ersten Bischof von Münster (gestorben 809). Die Kirche hatte den Rang einer Sendkirche für das Norderland, d.h. in ihr wurde in kirchlichen, aber auch in weltlichen Angelegenheiten Recht gesprochen.
Im frühen 14. Jahrhundert wurde zu dieser Kirche der Glockenturm erbaut. Er ist wie bei den meisten mittelalterlichen Kirchen Ostfrieslands freistehend und heute sogar durch eine Straße von der Kirche getrennt.
Etwa um die selbe Zeit (vermutlich 1318) wurde die Kirche im Osten um ein Querhaus mit drei quadratischen Kreuzgewölben erweitert. Nachdem diese bereits im 15. Jahrhundert wieder eingefallen waren, wurde 1445 das ganze Querhaus mit verstärkten Mauern und Pfeilern in der heutigen Gestalt wiederaufgebaut.
Anschließend wurde der über alles ragende dreischiffige Hochchor errichtet, der vermutlich um 1455 fertiggestellt war. Maßgeblich am Wiederaufbau des Querhauses und Neubau des Chores beteiligt war der Norder Häuptling und spätere ostfriesische Reichsgraf Ulrich I. aus dem Hause Cirksena, dessen Wappen in den Schlußsteinen des Vierungsgewölbes und des östlichen Hochchorgewölbes (über dem Hochaltar) zu finden ist.
Dieses Gewölbe hat in der Mitte eine lichte Höhe von 22 Meter, was gegenüber dem Querschiff noch einmal eine erhebliche Steigerung bedeutet. Der Grundriss des Hochchores gleicht dem des 1443 fertiggestellten Chorbaus der Martinikirche im niederländischen Groningen, der lediglich noch etwas höher gestreckt ist. Beide Chöre haben einen Chorumgang mit zwei Altarnischen und im Osten den sechsseitigen Chorabschluß mit einem Pfeiler (nicht einem Fenster) in der Mittelachse. Die Arkadenbögen, die den Blick in den halbhohen Chorumgang freigeben, werden von mächtigen Rundpfeilern getragen. Die Bogenreihe wiederholt sich in der darüberliegenden Triforienzone in Gestalt von Blendarkaden und wird auch durch die Fensterreihe des Obergadens wieder aufgenommen. (von Reinhard Ruge, Februar 2010)