Stolpersteine Dinkelsbühl

Tour Altrathausplatz 14, 91550 Dinkelsbühl, DE

Führung durch Dinkelsbühl mit Informationen zu den Schoah-Opfern während des Nationalsozialismus und den heute sichtbaren Stolpersteinen.

Autor: Christoph Walter

12 Stationen

Station 1

Klostergasse 5, 91550 Dinkelsbühl, DE

Klostergasse 5. In diesem Haus befand sich die Synagoge in Dinkelsbühl. Seligmann Hamburger zeigte am 8. August 1882 dem Magistrat an, dass hier Gottesdienste abgehalten wurden. Die israelitische Kultusverwaltung Schopfloch hatte gegen die Abhaltung von privaten Gottesdiensten keine Einwände, da es nach dem jüdischen Ritus nicht zumutbar war, eine derart lange Strecke an einem Sabbat auf sich zu nehmen. Weiterhin teilte Hamburger im Dezember des gleichen Jahres mit, dass die Gottesdienste vorläufig nicht stattfinden würden, da die Familie Jordan gewöhnlich samstags nicht vor Ort sei und somit die erforderliche Teilnehmerzahl von 10 Personen nicht zustande käme. Im Erdgeschoss befand sich eine Mikwe (ein Ritualbad).
Wahrscheinlich am Morgen des 10. November 1938 wurde das Synagogenzimmer verwüstet, sowie Torarollen und Gebetbücher aus den Fenstern geworfen. Das Zimmer wurde wohl nicht angezündet, da es inmitten der Stadt lag.
Manfred Anson (Ansbacher) erinnert sich: "Die Bürger schauten zu und haben nichts oder konnten nichts tun dagegen."

Station 2

Altrathausplatz 11, 91550 Dinkelsbühl, DE

Altrathausplatz 11. In diesem Haus wohnte die Familie Ansbacher: Ludwig Ansbacher (geb. 1888) verheiratet mit Selma, geb. Schloßberger, Manfred und Heinz Joachim Ansbacher. Ludwig war zu 50% kriegsgeschädigt (Verlust eines Auges) und besaß einen Schein zum Verkauf von Gemischtwaren für das Jahr 1937. Am 5. April 1937 wurde ihm der Wandergewerbeschein durch Bürgermeister Lechler wegen Unzuverlässigkeit im Hausiergewerbe entzogen. Im Anschluss verzog die Familie und wanderte aus. Der Sohn Heinz Joachim Ansbacher (geb. 24. Dezember 1925) wurde am 1. August 1942 umgebracht.

Manfred Ansbacher schrieb mehrere Briefe aus USA nach Dinkelsbühl: "Die Jahre von 1922 bis 1932 waren ganz schön, aber dann kam der Nazismus auch in unsere Schulen und vergiftete die ganze Jugend in unseren Schulen. Dann wurde ich von der Realschule hinausgeworfen, um die Schulen Judenrein zu machen, zusammen mit einem kleinen Mädchen, Margot Sommer. Wir waren die einzigen Juden in der Realschule."

Station 3

Elsassergasse 16, 91550 Dinkelsbühl, DE

Elsassergasse 16. Dieses Haus wurde 1886 von Handelsmann Veis Levite aus Mönchsroth ersteigert. Im Jahr 1903 wurde es von seiner Witwe Lina (geb. Leiter) mit ihren 9 Kindern bewohnt. Der Sohn Adolf Levite lebte seit 1905 mit seiner Frau Johanne (geb. Dick) und seiner Familie in dem Anwesen. Adolf heiratete 1923 seine zweite Frau Sidonie. Max Levite, der Sohn von Veis und Lina Levite zog vor 1900 fort und wurde 1942 im Transitghetto Theresienstadt ermordet.

Station 4

Elsassergasse 18, 91550 Dinkelsbühl, DE

Elsassergasse 18. Willi Wolf Weinberger betrieb eine Farbenfabrik (Lagerhäuser in Ladegässlein 1 und Elsassergasse 17), welche er zu "ansehnlicher Größe und Blüte" brachte (Wörnitz-Bote). Seinen Betrieb führte sein Schwiegersohn Willi Birk weiter. Die Ehefrau Saly Birk (geb. Weinberger) erlitt den Schoah-Tod in Auschwitz (10.08.1942), ihre Mutter Emma Weinberger starb im Internierungslager Gurs in Frankreich am 12.07.1943 wahrscheinlich an Typhus.
Felix Künzelsauer zog 1912 nach Dinkelsbühl und war Gewerbetreibender bis ihm 1938 die Ausstellung einer Gewerbekarte untersagt. Nach der "Reichskristallnacht" zog er fort. Sein Sohn Isaak Künzelsauer zog 1933 ebenfalls fort und starb 1943 im Konzentrationslager Majdanek.

Station 5

Steingasse 7, 91550 Dinkelsbühl, DE

Steingasse 7. Dieses Haus wurde 1888 von Kaufmann Emanuel Waker gekauft, welches er mit seiner Ehefrau Amalie (geb. Löwenhaupt) bewohnte. Den Plänen zufolge wollte er es mit dem Nachbarhaus Steingasse 9 verbinden. Die Familie verzog 1918. Seit 1917 war das Haus von Gertrud Bär bewohnt, welche als Köchin bei Waker angestellt war. Sie zog 1918 fort und wurde 1942 im Transitghetto Izbica in Polen ermordet.

Station 6

Segringer Straße 42-46, 91550 Dinkelsbühl, DE

Segringerstraße 44. Dieses Haus wurde 1905 von Kaufmann Sigmund Schloßberger gekauft. Seit 1916 war es von Ludwig Ansbacher bewohnt, sowie in den darauffolgenden Jahren von Gisela Levi (geb. Schloßberger) oder Hedwig Holzer (geb. Schloßberger) mit Familie.
Sigmund wurde nach den Pogromnächten 1938 vertrieben und starb in Frankfurt. Seine Tochter Palma Betti zog 1920 fort und wurde 1942 im Transitghetto Izbica in Polen ermordet. Sein Sohn Josef und dessen Ehefrau Martha (geb. Strauß) wurden 1938 während den Pogromnächten vertrieben und 1942 in der Tötungsstätte Raasiku in Reval (deutscher Name für die estnische Hauptstadt Tallinn) ermordet. Dasselbe Schicksal erfuhren deren Tochter Beatrix (geb. 1934) und Söhne Jost Jakob (geb. 1933) und Maximilian Schloßberger (geb. 1934).

Station 7

Lange Gasse 10, 91550 Dinkelsbühl, DE

Lange Gasse 10. Hier wohnte ab 1914 Heinrich Levite. Seit den Jahren 1914 und 1932 sind der Sohn Friedrich Levite mit Familie und Adolf Levite mit seiner zweiten Frau Sidonie (geb. Strauß) und Familie ansässig.
Heinrich Levite und seine Frau Sarah Levite (geb. Heumann) zogen 1936 fort und wurden 1942 im Transitghetto Izbica in Polen ermordet. Ihr Sohn Julius Levite zog 1933 an einen unbekannten Ort und wurde 1939 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Adolf und Sidonie Levite zogen 1936 fort und wurden 1944 im Vernichtungslager Auschwitz getötet, ihr Sohn Heinz Joseph Levite wurde 1942 im Konzentrationslager Majdanek ermordet.

Station 8

Lange Gasse 28, 91550 Dinkelsbühl, DE

Lange Gasse 28. In diesem Haus wohnte die Familie Hamburger. Der Vater und Kaufmann Robert Hamburger bewohnte dieses Haus seit 1875. Die Brüder Benno und Emil Hamburger besaßen anschließend das Haus jeweils zur Hälfte und bewohnten dieses mit ihren Familien bis 1938. Emil besaß einen Laden und ein Hausiergeschäft, in welchen er Leinen- und Wäscheerzeugnisse vertrieb. Er erhielt 1937 noch die Gewerbelegitimationskarte, im darauffolgenden Jahr wurde diese allerdings an Bedingungen geknüpft. Eine Beschwerde seinerseits zog er nach der antijüdischen Verordnung zurück. Louise Hamburger, Tochter von Robert und seiner Frau Helene, wurde nach den Pogromnächten 1938 vertrieben und 1942 im Transitghetto Theresienstadt ermordet.
Helene Vered (geb. Hamburger) ist die Tochter von Emil und Lina. Sie wurde ebenfalls 1938 vertrieben und verlor die Heimat. Sie lebt heute in Palästina.

Station 9

Lange Gasse 30, 91550 Dinkelsbühl, DE

Lange Gasse 30. Dieses Haus wurde 1898 von Moritz Hamburger mit Familie bewohnt. 1919 bezog Sigmund Reutlinger mit seiner Ehefrau Johanna (geb. Hamburger) das Anwesen. Moritz wurde 1940 in das Internierungslage nach Gurs in Frankreich deportiert, in welchem er im selben Jahr ermordet wurde. Die Haushälterin Klara Gutmann lebte 1923 in diesem Haus, ehe sie 1924 fortzog und 1942 im Tötungslager Treblinka ermordet wurde.

Station 10

Lange Gasse 42, 91550 Dinkelsbühl, DE

Lange Gasse 42. Dieses Haus war 1928 bewohnt von David Levite mit Familie. Seine Frau Sarah Levite (geb. Mayer) zog 1935 fort und wurde 1942 im Transitghetto Piaski in Polen ermordet.

Die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung in Dinkelsbühl in Zahlen:
1865: 11
1900: 49
1905: 62
1910: 56
1933: 65
1934: 35
1935: 40
1936: 35
1937: 25
1938: Die 19 gemeldeten Juden verloren ihre Heimatstadt.

Station 11

"Das Projekt Stolpersteine - ein (un)wichtiger Beitrag für Erinnerungskultur in Dinkelsbühl?"
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Station 12

Quellen- und Literaturverzeichnis:

Arnold Gerfrid, Dinkelsbühl Geschichte Light. Die Judenschaft Königreich Bayern Weimarer Republik III. Reich. Norderstedt 2020.
Arnold Gerfrid, Juden in Dinkelsbühl. Dinkelsbühl 2010.
Stadtarchiv Dinkelsbühl.
Yad Vashem - internationale Holocaust-Gedenkstätte, unter: https://www.yadvashem.org/de.html (letzter Zugriff: 20.07.2023)