17 32, 8032 Zürich, CH
Das Theater
Der Anfang des Theaters liegt im alten Griechenland, wo religiöse Riten zu Ehren des Dionysos gehalten wurden, an denen auch die Frauen mitwirken durften. Aus diesen religiösen Riten in Form von Tänzen, Gesängen und Prozessionen entwickelte sich über die Jahrhunderte das antike griechische Drama.
Im alten Rom wurden Theater von Sklaven aufgeführt; Sklavinnen hatten im Unterhaltungstheater aufzutreten, mit Striptease, wie Theateranzeigen versprachen. Die christliche Kirche wollte die Sklavinnen schützen und erwirkte ein Spielverbot für Frauen im Theater. Dieses Spielverbot mündete in eine jahrhundertelange Absenz von Frauen auf der Bühne. Die theaterfeindliche Kirche wollte, dass die Frauen ganz von der Bühne verschwinden und die Männer die Vorstellungen der Weiblichkeit spielen.
Ab dem 16. Jahrhundert tauchen die Frauen dann immer wieder auf der Bühne auf, beginnend in der Commedia dell’Arte in Italien. Auch in Frankreich und Spanien etablierten sich die Frauen bereits im 16. Jahrhundert. Anders in England und Deutschland – hier dauerte es bis ins 18. Jahrhundert. Im 16./17. Jahrhundert gab es das Hoftheater, gesponsert vom Adel, dass die höfischen Werte aufrechterhielt. Erst Ende des 18. Jahrhunderts etablierten sich daneben Stadt- und Unternehmenstheater, die von ihren Kasseneinkünften leben mussten.
Eine wichtige Person für das Theater der Frauen war Carolin Neuber (1697–1760), da sie ihre eigene Gruppe leitete und eine Theaterreform erreichen wollte, nach französischem Vorbild. Sie wollte erreichen, dass deutsche Theater ihr Spiel auch den Hofgesellschaften vorführen durften. Das hiess allerdings: Man musste dem Adel gefallen. Die Reform zielte also darauf ab, ein Theater aufzuführen, das sich nach dem adligen Geschmack richtete. Ihr Ziel war ein moralisch-lehrhaftes Theater.
Carolin Neuber war die erste Frau, die begann auch Männerrollen (Hosenrollen genannt) zu spielen. Schnell fand sie Nachahmerinnen und 1779 soll Hamlet erstmals von einer Frau gespielt worden sein. Neubers Theater war ein Wandertheater und das konstante Reisen der Truppe rief Vorurteile hervor: Schauspielerïnnen sagte man einen lockeren Lebenswandel und eine verkommene Moral nach. Frauen sollten auf der Bühne verführerisch spielen, gelang ihnen dies wurden sie jedoch schnell als Prostituierte beschimpft. Spielten sie jedoch nicht erotisch genug, pfiff man sie aus. Eine Pattsituation.
Erst im 19. Jahrhundert passte sich der Schauspielstand an, wurde bürgerlicher, die Vorurteile gingen zurück. Davon profitierten auch die Frauen. Jedoch führt die Etablierung von Theaterhäusern zu einer neuen Art der Verdrängung der Frauen: Es gab kaum eine Frau mit einer Leitungsposition in einem Theaterhaus. Das erste Theater in Zürich, das von einer Frau geleitet wurde, war, von 1837 bis 1843, das Aktien-Theater und es wurde von Charlotte Birch-Pfeiffer geleitet. Bis heute ist jedoch seit ihr keine Frau mehr Direktorin des Aktien-Theaters gewesen, des heutigen Opernhauses. Die Gleichstellung im Theater hat eine grosse Wendung erreicht, bei den Leitungspositionen hält sich Zürich aber immer noch zurück Frauen einzustellen.
Das Schauspielhaus Zürich ist das grösste Theater von Zürich. 1888/89 wurde das Gebäude als «Volkstheater am Pfauen» erbaut und 1901 mit der Vorstellung von Goethes «Mitschuldigen» als Schauspielhaus neu eröffnete. Über Jahre hatten im Schauspielhaus die Männer das Sagen.
Am Frauenstreiktag, am 14. Juni 1991, wollten einige Frauen vor der Vorstellung «Der Gesandte» alle Frauen, die gearbeitet hatten, auf die Bühne bitten. Sie wollten damit zeigen, wie viele Frauen am Schauspielhaus arbeiteten und ihr Leben mit Familie rund um die Arbeitszeiten sortieren mussten. Nach grossen Diskussionen, ob man das dürfe oder nicht, willigte die damalige Direktion schliesslich ein.
Und es dauerte noch bis ins Jahr 2009, bis das erste Mal eine Frau als Intendantin das Schauspielhaus leitete: Barbara Frey hatte die Leitung zehn Jahre lang inne und ist 2019 zurückgetreten. Einzig Oskar Wälterlin leitete das Schauspielhaus noch länger als sie. Trotzdem hatte Frey mit Vorurteilen zu kämpfen. In einem Interview erzählt sie, dass sie, anders als Männer, wenn sie wütend wurde, nicht als furchterregend, sondern als hysterisch angeschaut wurde. Bis vor kurzem, erzählt sie, habe niemand die Verteilung der Führungspositionen hinterfragt, doch seit ihrer Leitung fragten sich plötzlich viele: Haben wir genug Frauen? Problematisch daran findet Barbara Frey, dass es nicht um die Frauen selbst gehe, sondern um die Quote und die Aussenwirkung. Ich verstehe was sie daran problematisch findet, doch finde ich es gut, dass sie überhaupt anfangen sich diese Fragen zu stellen, egal aus welchem Grund. Auch sagt sie, dass man daran sehe, dass die Gleichstellung der Frauen zwar Fortschritte gemacht habe, indem sie (Barbara Frey) Leiterin des Schauspielhauses sei, jedoch noch ein langer Weg vor uns liege bevor die Gleichstellung auch komplett hier angekommen sein werde.
Am Sonntagvormittag, 10 Novemer 1968 kapert eine Gruppe junger Frauen die Bühne des Schauspielhauses und eine von ihnen ruft ins Mikrofon: «Meine Damen, wir sollten nicht jubilieren, sondern protestieren und diskutieren!» Bei den angesprochenen Damen handelt es sich um ältere Damen des Zürcher Frauenstimmrechtsvereins, die mit ihren Gatten das 75-jährige Jubiläum des Vereins feiern. Der Verein war gegründet worden, um das Frauenstimm- und -wahlrecht auf nationaler und kantonaler Ebene zu erreichen.
Diese Ziel hatte der Verein zwar noch nicht erreicht, gefeiert wurde trotzdem. Dabei versteht man wieso die Gruppe junger Frauen nicht erfreut ist, es ist ja noch nichts erreicht worden. Und die erzürnte Stimme von der Bühne? Sie gehörte Andrée Valentin, die in ihrer Funktion als Präsidentin der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich (FSZ) die Rede im Zürcher Schauspielhaus hielt, die 1968 zur Gründung der Frauenbefreiungsbewegung FBB führte. Auch ihr Ziel lautete: Frauenstimm- und -wahlrecht in der Schweiz erlangen.
Valentin schmetterte weiter ins Mikrofon: «Noch immer müssen wir um das Frauenstimmrecht kämpfen, nein betteln. Um ein Recht, das die Frauen in anderen Ländern seit 50 Jahren ausüben. Das macht uns zum Gespött der ganzen Welt. Selbst wenn das Stimmrecht in einigen Jahren Realität sein wird, müssen wir erkennen, dass der Anspruch der Frauen auf Gleichberechtigung damit keineswegs erfüllt ist.» Valentin und ihre Mitstreiterinnen fanden: Das Stimmrecht sei ein Menschenrecht. Damit haben sie im öffentlichen Raum sich für das Frauenstimmrecht eingesetzt, welches sie 1972 auch bekommen haben. Sie haben sich neben dem für die allgemeine Gleichstellung der Frau eingesetzt.